"Prinz Friedrich von Homburg" in Salzburg

Psychoduell auf verbrannter Erde

von Gabriella Lorenz

Zwischen den Extremen: August Diehl als Prinz Friedrich von Homburg; Foto: Bernd Uhlig

Mit einem Paukenschlag, einem ganz leisen, endet Andrea Breths Inszenierung "Prinz Friedrich von Homburg" im Salzburger Landestheater. Man braucht einige Sekunden, um zu begreifen, dass der Titelheld tot ist. „Die Freude tötet ihn!“, ruft seine Braut Natalie, als Homburg - unversehens vor seiner erwarteten Hinrichtung gerettet und als Sieger der Schlacht von Fehrbellin gefeiert -  in Ohnmacht fällt. Die Regisseurin nimmt den Satz wörtlich. Noch einmal erwacht Homburg: „Ist es ein Traum?“ Dann fällt er zurück  - in ewige Traumlosigkeit

Ein starker, verstörender Schluss für die erste Schauspielpremiere der Festspiele, die sich erst in der zweiten Hälfte zu einer starken Aufführung entwickelt. Nach zweieinhalb pausenlosen Stunden großer Jubel für den Extreme wagenden August Diehl in der Titelrolle. Doch der eigentliche Star ist Peter Simonischek als Kurfürst.

Denn hier hat Heinrich von Kleist 1810 in seinem Drama das Kraftfeld gesetzt: In der Auseinandersetzung zwischen dem fürstlichen Militär-Machthaber und dem siegwütigen Jung-Haudrauf, der Befehle missachtet, mit seinen Soldaten auf den Gegner losprescht und die Schlacht gegen die Schweden gewinnt. Das soll ihn nach Kriegsrecht jetzt den Hitzkopf kosten. So lieb er als naher Verwandter dem Fürsten auch ist: Seine Eigenmächtigkeit darf keine Bresche in die Disziplin des Heeres schlagen.

Das ist Krieg: Düstere, verbrannte Erde; Foto: Bernd Uhlig

Was Krieg bedeutet, macht Martin Zehetgrubers Bühne klar. Der Schlossgarten nahe dem Schlachtfeld ist nur noch verbrannte Erde: Verkohlte, von Kanonen gefällte Baumstümpfe. Da träumt Homburg von Ruhm und Liebe und wird als Schlafwandler vorgeführt von einer gespenstischen Zeitlupen-Prozession der Hofgesellschaft. Die zieht sich dann in kühle Innenräume mit Milchglas-Schiebewänden zurück.

Dieser Homburg muss einen Herzfehler haben - oder sonst eine Krankheit, die ihn zwischen Extrempolen hin- und herschleudert. August Diehl schwankt ständig zwischen fanatischer Schwärmerei und stürmerisch-drängendem Überdruck. Als seine geliebte Natalie verzweifelt nach einem Beschützer fragt, reißt er sie so ungestüm an sich, als wolle er sie ersticken  - eine gewaltsame Besitzergreifung. Homburgs rasende Gefühlsumschwünge kontrastiert Andrea Breth mit einer mehr als steifen Umwelt. Die Offiziere bleiben in knarzendem Burgtheaterton hohltönende Chargen, auch Roland Koch als Homburgs Freund Hohenzollern. Nur der fabelhafte Hans-Michael Rehberg als alter Oberst Kottwitz, der sich gegen alle Militärregeln für Homburg einsetzt, treibt diese ausgestellte Sprache so ins Extrem, dass sie mit seiner knorrig-hölzernen Figur zusammenpasst.

Der eigentliche Star: Peter Simonischek als Kurfürst (Mitte); Foto: Bernd Uhlig

Meist blass und gefasst ebenso die mitfühlenden Frauen in schwarzen Samtgewändern (Moidele Bickels Kostüme verordnen Trauer, auch den Männer in langen, dunklen Militärmänteln). Kurfürstin Andrea Clausen fällt mal in Ohnmacht, Pauline Knofs Natalie wird gelegentlich von tränenreichem Pathos übermannt, und Anstandsdame Elisabeth Orth zeigt winzige ironische Reaktionen.

Doch das in den Vordergrund rückende Psycho-Duell bestimmt Peter Simonischek:  Ein souveräner Kurfürst, der den aufsässigen  jugendlichen Herausforderer mit einem raffinierten Moraltrick in seine Schranken weist. In diesem Machtspiel bleibt Simonischek stets der  Überlegene, trotz aller scheinbaren Empathie für den gern Sohn genannten Homburg und dessen auf Milde plädierende Offiziere. Denn es geht auch um einen Vater-Sohn-Konflikt und vielleicht sogar erotische Rivalität: Seine Nichte Natalie, die er als Tochter bezeichnet, küsst der Fürst nach ihrer Begnadigungs-Bitte auf den Mund wie ein Liebender. Dass sein Spiel in der Wiederaufnahme der Anfangspantomime tödlich endet, lässt es im Nachhinein umso grausamer erscheinen.

Salzburger Festspiele, Landestheater, 30., 31. Juli, 1., 3., 4., 5., 7., 8., 9., 11., 12. August, 19 Uhr, Karten 0043 662 8045 500, www.salzburgfestival.at

Veröffentlicht am: 31.07.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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