Tanzbare Vielschichtigkeit: Der Münchner Musikproduzent Pitchben veröffentlicht erstmals auf Compost Records

von Clara Fiedler

Gefangen im Groove und trotzdem grenzenlos: Pitchbens Release "Pitchslap". Foto: Compost

Die DJ-Szene: Trotz ihrer Größe gilt sie immer noch als Subkultur. Vielleicht, weil ein Set seine Uraufführung immer noch eher im Club feiert als in der Konzerthalle. Auch Pitchben, die Neuentdeckung des Münchner Labels Compost Records, startete seine Karriere an den Turntables mit der Art von Musik, die der Nicht-Clubgänger eigentlich nicht hören muss. "Pitchslap" hingegen entführt einen in die Welt der tausend Möglichkeiten.

Schon der Titeltrack wartet mit - übrigens waschechtem - Orchester auf. Schwere Blechbläsersätze, unheilvolle Streicher und ein Bass, der langsam den Funk in die symphonische Opulenz bringt. Klar, die 80er sind vorbei. Trotzdem gibt es im Moment viele Musiker, die das nicht so ganz einsehen wollen, beziehungsweise diese Zeit wieder aufleben lassen oder ein bisschen festhalten wollen. Pitchben mag da von der Intention her keine Ausnahme sein. Was die Vielschichtigkeit seiner Arbeiten anbelangt, ist er auf jeden Fall eine. Denn trotz Retro-Feelings ist dieser Mann ein Feuerwerk an Ideen, die Erfahrenheit und die nie erlöschende Liebe zum stundenlangen Experimentieren spricht aus der unheimlichen Komplexität der Arrangements. Wenn man von der Tanzbarkeit, die sich irgendwo von selbst versteht, mal absieht: Das ist ein Album zum Hinhören, zum Entdecken. Selten wird das in der elektronischen Musik auf Anhieb so deutlich.

Da gibt es diese Dialoge, wie auf "Raw Colors",  einen fantastisch tighten E-Bass, der an Steps und Weather Report, respektive Jaco Pastorius und ähnliche Kaliber denken lässt, hochkarätige Vokalisten, wie etwa den Wahl-Münchner Adriano Prestel, der hierzulande überwiegend in der Soul-, Funk- und HipHop-Szene präsent ist. Pitchben lebt einen Perfektionismus und eine Detailverliebtheit, die wirklich Spaß machen und zu keiner Zeit elektrisch-kalt wirken.

Der Rausschmeißer "Stand Up" beginnt fast poppig, der bisher eher unter dem Namen M-Tech bekannte Künstler spielt geschickt mit einer Prise Klischee, viel Groove und herrlichen Bläserarrangements. Diese Musik ist zweifellos nicht entstanden, um einem Bilder in den Kopf zu zaubern. Sie ist Musik des Moments. Niemals schwelgend, auch nicht im 80er-Feeling, wie man vielleicht annehmen könnte, sondern immer in Bewegung. Alles fließt, oder nickt zumindest mit dem Kopf. Gott Sei Dank. Wo kämen wir den hin, wenn man sich beim Tanzen langweilen müsste?

Pitchben - Pitchslap, Veröffentlichungstermin: 4. 11. 2011

Veröffentlicht am: 26.10.2011

Über den Autor

Clara Fiedler

Redakteurin

Clara Fiedler ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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