Herzschlag im 5/4-Takt: Der Trompeter Dusko Gojkovic und seine Soul Connection zum Balkan

von Clara Fiedler

Morgen Istanbul, übermogen Belgrad: Langweilig wird Dusko Gojkovic bestimmt nicht. Foto: Privatbesitz Dusko Gojkovic

Ziemlich unscheinbar für einen Weltstar, wie er da sitzt in einem grau-beigen Anorak, etwas gebeugt, ein Glas Weißwein, die „Jazzzeitung“ vor sich. Dusan „Dusko“ Gojkovic hat wahrlich ein langes, bewegtes Leben hinter sich. Und vor sich auch. Die Geschichte des Trompeters beginnt in Jajce, Bosnien, die politischen Verhältnisse waren turbulent.

Nach einem Musikstudium in Belgrad wanderte er nach Deutschland aus - dann startete eine fulminante Kariere: Welttourneen unter Stars wie Woody Hermann und Maynard Fergusson, Studium in Boston und die intensiven Begegnungen mit den Größten seines Fachs: Dizzy Gillespie, Chet Baker, Miles Davis.

Es klingt überwältigend, wenn er erzählt, was er alles erlebt hat. Wen wundert es, dass aus seinen Worten, seinem Blick, seinem Ton eine unheimliche Gelassenheit spricht. Auf den Hype, der teilweise um ihn herum passiert, scheint er nicht viel zu geben. „Ich spiele das, von dem ich denke, dass es gut ist. Es hat sich so ergeben, dass es auch anderen Leuten gefällt“, sagt er. Nach einem späten Studium am Berklee College Of Music in Boston und einer kurzen Zeit in Köln kam er 1968 nach München. „Ich war ein paar mal hier und es hat mir gefallen“, ist seine Antwort auf die Frage, wie das zustande kam.

Ein einziges Mal sagt er: „Da muss ich mich selber loben." Denn das, was er geprägt hat, was ihn groß gemacht hat und worin er sich gefunden, vielleicht erfunden hat, ist der Balkan-Jazz. "Das ist Ethno-Jazz, das hab' ich mir ausgedacht", sagt er nicht ohne Stolz. Und dann erzählt er, wie er seinem "Sponsor" Dave Brubeck klarmachte: "Das mit dem 5/4-Takt hab ich schon Jahre vor Dir gemacht." "Er hat gelacht und gesagt: ...und ich dachte, ich bin der Größte." Eine Schatzkiste an Anekdoten ist der fast 80jährige Trompeter, und fast jede ist von lautem, herzlichem Lachen begleitet. Dann sagt er nach einer Minute des Schweigens und einem Schluck Wein nickend: "Dizzy war wirklich gut zu mir." Völlig aus dem Kontext gegriffen, aus der Erinnerung gewühlt.

Dizzy Gillespie war einer seiner größten Förderer. Er gab ihm den "moralischen Schubs", den er selbst heute an die jüngeren Musiker weitergibt. "Wenn ich mit Dizzy spielte, dachte ich immer nur: Was hab ich für ein Glück, New York ist voll von fantastischen schwarzen Trompetern, und dann ausgerechnet ich! Aber Dizzy sagte nur: Ich hab dich gehört. Ich weiß, was ich meine. Du bist gut." Ein anderer Wegbereiter für Gojkovic war der Saxophonist Stan Getz. Er ermutigte ihn damals, nach New York zu gehen. "Ich meinte: Da gibt es so viele gute Musiker, und jetzt komme ich vom Balkan, und will auch noch mitmachen. Dann ist er sauer geworden." Getz bestätigte den jungen Gojkovic in seinem Hang, die Musik seiner Heimat in den Jazz überzuführen. "Er sagte: Benutz' das, das ist gut!" Es ist nicht nur gut. Es ist Gojkovic. Es ist das, was ihn nach all den Jahren noch ein bisschen heller strahlen lässt, sobald das Gespräch darauf gelenkt wird.

Überhaupt wird ihm seine Unverkennbarkeit von vielen Seiten attestiert, und sie ist für ihn auch das Wichtigste. Es dauert, etwas zu entwickeln, was wirklich einzigartig ist. "Es gibt Aufnahmen, da reichen vier Takte, und du weißt, wie spät es ist", lacht er. "Da kannst Du einfach klar sagen: Das ist Miles, das ist Benny Bailey, das ist Dizzy."

Eben diesem eigenen Stil hat er auch sein immer noch extrem bewegtes Leben zu verdanken. "Ich frage immer meine Frau: Wo bin ich morgen? Und sie sagt dann: In Istanbul. Und ich: Ah ja. Und übermorgen? Und sie: In Belgrad." Langweilig wird ihm nicht. "Es kommen immer neue Ideen", sagt er. Neben Werken wie "Swinging Macedonia" und "Nights Of Skopje" liebäugelt er auf "Samba Do Mar" auch mit Brasilien. Sein Werk umfasst 156 Platten, über 100 Kompositionen, wenn ihm auf Deutsch nichts mehr einfällt, redet er Englisch, dann klingelt das Telefon und er macht spielend auf Italienisch weiter, und nach dem dritten Glas Wein sagt er: "Jetzt hab' ich Dir alles erzählt, was ich weiß. Jetzt geh' ich meine Koffer packen." Und nur selten verlässt dieses Lächeln seine Züge, das so viel Ruhe und ein bisschen Schalk verrät.

"Keep Swinging", wünschen sie ihm zum bevorstehenden 8o. Geburtstag von allen Seiten. Dass er damit jemals aufhört ist relativ unwahrscheinlich. Begeistert erzählt er von einem Band mit seinen Kompositionen, der auf dem zum Plattenlabel Enja gehörenden Musikverlag erscheinen wird. Eine davon ist "Remember Dizzy", eine Art "Tribut", das er nach dessen Tod verfasst hat. So, wie es aussieht, werden wir glücklicherweise auch noch die nächsten 20 Jahre um ein "Remember Dusko" herumkommen. Für den selbsternannten Balkanjazz Mafioso geht es mit Enja nach China und Korea. Und wenn er zurückkommt, wird er nicht müde, auch München in den "Slavic Mood" zu versetzen.

Veröffentlicht am: 26.09.2011

Über den Autor

Clara Fiedler

Redakteurin

Clara Fiedler ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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