Fantasy-Musical "Tschitti Tschitti Bäng Bäng" im Prinzregententheater

Fliegendes Auto mit Raketenstart

von Volker Boser

Amelie Spielmann (Jemima Potts), Peter Lesiak (Caractacus Potts), Marinus Hohmann (Jeremy Potts), Nadine Zeintl (Truly Scrumtious), Ensemble. Foto: Thomas Dashuber

Rechtzeitig zur Pause ist es endlich soweit: Da hebt sich, knatternd und fauchend das von Caractacus Potts erfundene Wunderauto mit Gepolter in den Bühnenhimmel. Das Publikum im Prinzregententheater johlt, pfeift und klatscht begeistert. Intendant und Regisseur Josef. E. Köpplinger hat ins Schwarze getroffen. Seine bunte, wunderbar schrille Inszenierung für das Gärtnerplatztheater könnte der Clou der Saison werden.

Dabei ist die vom Buch über den Film zum Musical mutierte Fantasy-Geschichte alles andere als leicht auf eine Bühne zu hieven. Neun Jahre hatte sich Köpplinger um die Rechte bemüht. Die Münchner Premiere von „Tschitti Tschitti Bäng Bäng“ ist die erste auf dem europäischen Kontinent: Ein perfektes Stück zum Träumen, ein wenig altmodisch, dafür aber mit viel Überraschungen.

Denn Potts kann nicht nur fliegende Autos basteln. Er denkt sich auch Bonbons aus, die als Trillerpfeife benutzt werden können und damit alle streunenden Hunde der Stadt anlocken. Wenn auch nicht empfehlenswert, so doch ein Einfall, der die für das Musikalische zuständigen Brüder Richard und Robert Sherman zur hübschesten Musiknummer des Abends animierte („Toot Sweets“).

Weil der Urheber dieser Story James-Bond-Erfinder Ian Fleming war, ist ein Happy End erst nach einem Ausflug in die missgünstige Welt des bizarren Zwergstaates Vulgarien in Sicht. Für das Publikum eine Wonne: Dort dürfen Erwin Windegger und Sigrid Hauser als Baron und Baronin Bomburst operetten-selig motzen oder säuseln. Ob Schmusesong („Tschutschi-Maus“) oder Brasilien-Pop („Bombie-Samba“) – sie machen das hinreißend. Dass die gnädige Frau kleine Kinder hasst, hinterlässt keine tiefere Wirkung und ist lediglich  für den Fortgang der Handlung unumgänglich.

Eine Prise „Mary Poppins“, ein wenig „Alice im Wunderland“: Das „Tschitti“-Märchen bedient sich bekannter Muster. Als Rex Gildo einst den Titelsong trällerte, klang das so: „Es rollt wie ein Nudelholz, wir sind voll Besitzerstolz.“ Josef E. Köpplingers Inszenierung ist lustiger.

Bühnenbild (Judith Leikauf, Karl Fehringer) und Kostüme (Alfred Mayerhofer) strotzen vor Phantasie. Das hydraulisch in den Himmel gewuchtete Auto ist absolut Oktoberfest-tauglich. Die beiden Hauptakteure Peter Lesiak (Caractacus Potts) und Nadine Zeintl (Truly Scrumtious) dürfen alles zeigen, was sie können – und das ist eine Menge. Die Kinder (Marinus Hohmann, Amelie Spielmann) sahnen ab. Dirigent Michael Brandstätter und das Orchester servieren die schmissige Musik angemessen temperamentvoll. Ricarda Regina Ludigkeits Choreographie passt perfekt.

Zweieinhalb Stunden werden mit virtuos präsentierter Theaterlaune prall gefüllt. Was will man mehr?

Veröffentlicht am: 02.05.2014

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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