"Die Jungfrau von Orleans" bei den Salzburger Festspielen

An den Grenzen der Verständlichkeit, vielleicht wurde etwas gewollt

von Gabriella Lorenz

Claudia Carus in „Die Jungfrau von Orléans“. Foto: Jürgen Frahm

Ein Hörspiel mit Beleuchtung? Könnte interessant sein in einer Experimentier-Reihe der Salzburger Festspiele. Aber Michael Thalheimers Schiller-Inszenierung „Die Jungfrau von Orléans“ wird als große Schauspiel-Produktion im Landestheater verkauft. Nach über zwei Stunden statischem Ausrufetheater gab's dort Buh-Chöre für Thalheimer. Das faire Premierenpublikum bejubelte immerhin Kathleen Morgeneyer für Johannas Standfestigkeit.

Kein Helm, keine Rüstung, weder Schlachtenlärm noch Waffengeklirr. Nur ein Mädchen im weißen Kleid mit langem Blondhaar, gestützt auf ein Schwert. Da steht Jeanne d'Arc rechts von der Bühnenmitte, als einzige im Licht eines Spots, der aus Dauerschwärze wie eine Mondsichel auf sie zielt. Da bleibt sie unverrückbar fast die ganze Zeit und spricht unbeweglich frontal ins Parkett (wie alle anderen auch). Kathleen Morgeneyers Jungfrau verkündet die ihr von Gott und Schiller eingegebenen Verse im herrischen Befehlston.

Nur wenn die Liebe sie in die Krise stürzt, darf sie leise und berührend sein. Sie muss ja in der Lautstärke mithalten mit Mitstreitern, die aus düsterem Hintergrund mal zu ihr in den Lichtkegel treten dürfen (gern auch verdeckend vor sie), öfter aber im Dunkel - selbst an der Rampe -  fast unsichtbar bleiben. Alle schreien im Ausrufe-Modus, das muss man wohl, wenn mangels Interaktion sonst nicht gehört würde. Die Kriegshelden tragen  Kettenhauben, gepanzerte Jacken und Plastikfläschchen voller Theaterblut mit sich, das sie auf Johanna spucken und das sich mit ihrer schwarzen Kriegsbemalung mischt.

Kathleen Morgeneyer als Jungfrau von Orlean. Foto: Arno Declair

Thalheims wie stets rigide Klassiker-Textverkürzung erreicht hier die Grenzen der Handlungsverständlichkeit. Zumal einem auf der Bühne ja kaum was erkärt wird. Da trippelt ein lächerlich, fast debiler König Karl (Christoph Franken) im Pelzmantel mit Krone herum, greint nach seiner tatkräftigen Geliebten Agnes (Meike Droste im schick-bunten Mini mit Timoschenko-Zopfkranz), da stöckelt Almut Zilcher als Karls feindliche Mutter fabel-hexenhaft herum.

Kaum unterscheidbar sind die blutbesudelten Schlachtenhelden Dunois (Andreas Döhler), Du Chatel (Henning Vogt), Talbot (Markus Graf wird gleich nach seinem Tod zum Schwarzen Ritter) und der verliebte Lionel (Alexander Khuon). Der düstere Höhlenraum (Bühne: Olaf Altmann) erweist sich gegen Ende nach Johannas Verhaftung als Kerker-Kuppel. Erst die minimale Szenerie-Erhellung lässt ahnen, was Thalheimer vielleicht wollte: Das Ganze, ein inneres Drama, ein Traum? Der Schluss legt nahe, dass Johannas Kettenzerreißen, ihre letzte Schlacht und ihre Apotheose nur eine Vision im Kerker sind. Die jedoch zwei Stunden Theater-Langeweile auch nicht zum Zuschauertraum machen.

Salzburger Landestheater, 1., 2., 4., 5. August, 19.30 Uhr, Telefon 0043 662 8045 500, info@salzburgfestival.at

Veröffentlicht am: 01.08.2013

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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