Jedermann in Salzburg mit Brigitte Hobmeier

Zurück zum Everyman, doch es interessiert vor allem der Liebling der Saison

von Gabriella Lorenz

Der Tod, die letzte Braut. Foto: Forster

Eine Buhlschaft auf dem Fahrrad? Warum nicht? Gott hat gewiss nichts dagegen: Der ist diesmal in Salzburg ein zwölfjähriges Kind. Es steht in einem riesigen Trichter und steigt auf einen Stuhl, um dem Tod auf Augenhöhe zu begegnen. Erstmals bei den Festspielen inszenierte ein amerikanisch-britisches Regie-Duo den „Jedermann“.

 

Brian Mertes und Julian Crouch bieten optisch neue Elemente, die sich aber nicht zum runden Ganzen fügen. Das Fahrrad bleibt ein Gag und wird weggeworfen - mit charmanter Verve von Brigitte Hobmeier. Die spielt die fesche Lola und wird damit gewiss der Liebling der Saison.

Mertes und Crouch wollten näher ans mittelalterliche englische Morality Play „Everyman“, das Hofmannsthal zum „Jedermann“ umformte, sowie an Max Reinhardts Festspiel-Urinszenierung von 1920. Was für einen kruden Stil-Mix sorgt.

Olivera Gajic staffiert die Tischgesellschaft mit Gaukler-und Renaissance-Kostümen aus, die Buhlschaft mit Sommerkleidchen und Bauchtänzerinnen-Rock, den Mammon mit Frack und Zylinder der 1920er Jahre. Der Brite Crouch (Co-Regie, Bühne, Masken und Puppen) stellt ein Stadtpanorama aus Minihäuschen auf die Treppenbühne, die dann unbeachtet seitlich vor sich hin leuchten. Und erfindet riesige Masken. Den konventionell inszenierten Teufel (Simon Schwarz) begleiten zehn Maskenteufel bei einer Jazzdance-Einlage zur Musik einer Balkan-Bläsertruppe. Der von Stückl abgeschaffte Glaube kehrt mit Hans Peter Hallwachs zurück, wird auf einem Stuhl an einer Bretterwand hoch in die Senkrechte gezogen und leert seine Taufwasserschüssel auf Jedermann wie einst die Leute ihr Potschamperl auf die Straße.

Nur zwei Mal leuchtet der Einsatz der Puppen ein: Aus Jedermanns Schatzkiste wächst eine riesiger Goldgötze, dem Jürgen Tarrach entsteigt und buchstäblich Geld scheißt. Und die Guten Werke wachsen von einer kleinen Puppe zur Darstellerin Sarah Viktoria Frick, die - Ironie? - auch im Teufelscorps mitswingt. In den Bann zieht die Figur des Todes: Peter Lohmeyer schreitet leichenbleich im schmalen weißen Kleid, wie aus Japan kommend, über die Szene, deckt am Ende den Toten einfach mit einem Tuch zu, pflanzt ein Bäumchen und lässt Erde aufs Grab streuen.

Die Regisseure haben viel Text gestrichen, auch eine große Mahnrede von Jedermanns Mutter (hochedel und wenig bigott: Julia Gschnitzer). Und die Buhlschaft verabschiedet sich nach Koma-Schlaf auf einem Blumenbett nur mit einem wortlosen Kuss vom Sterbekandidaten.

Dramaturgische Unstimmmigkeiten interessieren das Publikum in Salzburg nicht, nur die Hauptdarsteller. Der Burgtheater-Schauspieler Cornelius Obonya, dessen Großvater Attila Hörbiger in den 1930er und 40er Jahren als Jedermann brillierte, überzeugt mit der auftrumpfenden Selbstherrlichkeit des reichen Mannes, der nur ans Geld glaubt. Aber nach seinem Todesurteil bleibt er bis zur finalen Bekehrung weitgehend ein greinendes Jammerbündel. Kein Wunder, dass die Buhlschaft das Weite sucht. Brigitte Hobmeier ist ein Ereignis: Selbstbewusst, schnippisch, schwenkt sie kess, kokett und lasziv den roten Rock und entblößt frivol schwarze Strapse. Sie zeigt als einzige die Vitalität von Stückls Vorgänger-Inszenierung. Sie hat ja auch bei ihm gelernt.

Salzburger Festspiele, alle Vorstellungen bis 30. August 2013 ausverkauft

Veröffentlicht am: 23.07.2013

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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