Dimiter Gotscheff inszeniert in München

Vor dem kleinen Heiner-Müller-Festival im Residenztheater

von Gabriella Lorenz

Szenenbild aus Gotscheffs Inszenierung von "Zement" (Foto: Armin Smailovic)

Es war eine kleine Sensation, dass Resi-Intendant Martin Kusej die Regielegende Dimiter Gotscheff zu einer ersten Inszenierung in München überreden konnte. Der Preis war die Aufführung von Heiner Müllers Frühwerk „Zement“.  Gotscheff, seit Jahrzehnten Müllers Regie-Sachwalter, hatte das Stück vergeblich anderen Theatern angeboten, kurz nach seinem 70. Geburtstag hatte es hier am 5. Mai 2013 Premiere. Gotscheffs Dichter-Engagement zu Ehren veranstaltet das Resi vom 24. bis 26. Mai 2013 im Marstall ein Heiner-Müller-Festival - eröffnet von  Gotscheffs Berliner  Inszenierung „Verkommenes Ufer....“.

"Immer noch Sturm" von Peter Handke (Foto: Armin Smailovic

Allein Gotscheff zu Ehren holte das Resi ein zweites Gastspiel und zeigte an Pfingsten „Immer noch Sturm“ von Peter Handke, uraufgeführt bei den Salzburger Festspielen 2011. Damals entfachte Handkes Aufarbeitung seiner slowenischen Herkunft keinen Sturm, aber viel Wind im Blätterwald. Einig waren sich die meisten Rezensenten, dass das kein Drama sei, sondern eine prosahafte therapeutische Familienaufstellung seiner Ahnen, die der „Ich“-Erzähler - also Handke, gespielt von  Jens Harzer - auf einer Heide im Kärntner Jaunfeld herbeibeschwört. Mit ihrer Historie erinnert er an die slowenische Minderheit in Kärnten und ihren Partisanenkampf um Autonomie von 1936 bis 1945, ein Kurzabriss reicht am Ende bis heute. Alle Hoffnungen auf Freiheit und eigene Republik enttäuscht, weiterhin verfolgt und diskriminiert - das bittere Fazit einer Heimatwurzelsuche. Handkes völkisch-nationalistische Töne und Lobgesänge auf die heilige Muttersprache sind deutlich gemildert, die dem Dichterwort ergebene Aufführung um eine knappe Stunde verkürzt. Im  permanenten grünen Blätterregen (Natur! Wind der Geschichte in den Zweigen von Slowenien!) entwickelt das  fabelhafte Ensemble (darunter Bibiana Beglau) des Thalia Theaters aus Gotscheffs epischem Erzählduktus wunderbare Figuren. Großer Beifall.

Veröffentlicht am: 23.05.2013

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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