Kassenbon-Ausstellung von Susann Körner

Montage noir

von Barbara Teichelmann

Konsum wird Kunst: Susanne Körner sammelte tausende Kassenbons, aus denen sie die "Restsprache" extrahierte, Foto: Susann Körner

Einkaufen goes Dada: Kassenbongedichte von Susann Körner in der Galerie Esther Donatz. Das Leben, so sagt man, schreibt die schönsten Geschichten.

Noch viel schönere Gedichte aber bekommt man an der Supermarktkasse, zum Beispiel dieses reduzierte Memento Mori: HAUSHALTSROLLE | WISCH&WEG | VANILLE TRAUM | WISCH & WEG | KRÄUTERTRAUM | WISCH & WEG | WOLKCHENCREME | WISCH & WEG | FRUECHTETRAUM | WISCH & WEG | WISCHWUNDER.  Nichts ist von Bestand, Träume schon gar nicht, und seien sie aus Vanillearoma oder Wölkchen gemacht. Wisch und weg. Ach ja, ach je. Macht dann 33,60.

Lyrik aus dem Supermarktregal

Seit über zehn Jahren beschäftigt sich Susann Körner, geboren 1972, mit Fundstücken unseres Konsumalltags, mit Warenbezeichnungen auf Kassenbons: Ein sprachliches Paralleluniversum, in dem Produktnamen durch elektronisch bedingte Abkürzungen zu hermetischen Bedeutungsträgern mutieren. Was ist eine "Bismarck Emotion", was eine "Montage Noir" und wie sieht ein "Happy End feucht" aus? Es entstand die Idee, gezielt so einzukaufen, dass ein Gedicht auf dem Kassenzettel entsteht. Die Hamburger Künstlerin sichtete Unmengen von Kassenbons, extrahierte skurrile Produktabkürzungen und schuf so einen eigenen Wortschatz, den sie "Restsprache" nennt. Einzelne Wörter kombiniert sie zu poetischen Wortbildern, die Gedicht und Einkaufszettel zugleich sind. Anschließend kauft sie im Supermarkt die Produkte passend zu den ausgewählten Wörtern, legt sie in einer bestimmten Reihenfolge aufs Band und ratterratterratterpiep: Fertig ist das Kassenbongedicht! Halb Ready-made, halb Konkrete Lyrik und 100 Prozent Dada. Das scheinbar sinnlos Zufällige wird aus dem gewohnten Kontext gelöst, eine neuartig anarchistische Dimension entsteht.

Ein Wort ergibt das andere und viele ein Lexikon: nach Sachgruppen geordneter Kassenbonwortschatz, Foto: Susann Körner

Produktnamen werden zu Metaphern

Mit archivarischer Sammelwut hat sie im Laufe von sieben Jahren einen nach Sachgruppen geordneten Kassenbonwortschatz zusammengestellt, ein 120-Seiten-dickes Nachschlagewerk. Wörter wie "Williams Christ" oder "Lux Dusche Götter" findet man unter "Religion", "Boticelli" unter dem Schlagwort "Kunst". Viel Arbeit steckt da drin und ein großes komisches Potential. Texttableaus, Kassenbongedichte, Videoinstallationen, Künstlerbücher, Fensterbeschriftungen, Lesungen – Körner nähert sich dem Phänomen Kassenbon mit unterschiedlichen Medien. Die Ausstellung "Kopfsalat Ahoj – Kassenbonsprache" in der Galerie Esther Donatz zeigt Gedichte aus den Jahren 2009 und 2011, zeigt Texttableuas und zeigt "Ghosts". Das sind besondere Kassenbons, die verblichen, bekritzelt, oder sonst irgendwie auffällig geworden sind und so eine eigene ästhetische Wirkung entwickeln. Fundstücke aus einer anderen Welt, unserem Alltag.

Die Ausstellung läuft noch bis 12. April in der Galerie Esther Donatz (Amalienstraße 45 Mgb..) , Öffnungszeiten: Mi/Fr 13-18, Do 13-19, Sa 12-16.

Veröffentlicht am: 04.04.2013

Über den Autor

Barbara Teichelmann

Redakteurin

Barbara Teichelmann ist seit 2011 beim Kulturvollzug.

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