Marina Carrs "Portia Coughlan" im Metropol
Wenn der Hass zügellos wird
Portia Coughlan könnte glücklich sein: Ihr reicher Mann ist ihr rührend ergeben, sie hat drei Söhne, einen Liebhaber und alles, was das Herz begehrt. Doch Portia ist unzufrieden und aggressiv, verachtet ihren hinkenden Gatten, vernachlässigt die Kinder und betrinkt sich an ihrem 30. Geburtstag schon morgens mit Cognac. Portia kann nicht glücklich sein, weil sie eine Erfindung der Autorin Marina Carr ist. Die 48-Jährige gilt derzeit als Irlands bedeutendste Dramatikerin seit Beckett, in Deutschland ist sie noch wenig bekannt. Marina Carrs Bühnenfiguren tragen alle schwer an Familienschicksalen voller Gewalt und düsterer Geheimnisse. Jochen Schölch hat ein Faible für solche Stoffe: Er inszenierte „Portia Coughlan“ im Metropoltheater mit Tragödienwucht und äußerst reduzierten Mitteln.
Der Fluss im Belmont-Tal birgt Portias Geheimnis: Dort hat sich ihr symbiotisch verbundener Zwillingsbruder Gabriel am 15. Geburtstag ertränkt. Seitdem hört sie ihn nach ihr rufen - hier als elegisches Cello -, und dann flieht sie an den Fluss. Gabriels Tod ist ihre unheilbare Wunde.
Auf einer breiten Laufsteg-Schräge (Bühne: Sanna Dembowski) werfen sich die Familienmitglieder ihren Hass in wüsten Beschimpfungen an den Kopf. Elisabeth Wasserscheids zerrissene Portia provoziert mit ungezügelten Ausbrüchen zwischen Wut, Trotz und Liebessehnsucht. Ablenkung sucht sie in der Kneipe des schmierigen Barmanns (Paul Kaiser), dort wandern Geld und Gläser mit komischen Taschenspielertricks über den Tresensteg. Ihr Mann (Hubert Schedlbauer) erträgt ihre Launen fast unterwürfig, aber er hat schon resigniert.
Alle verschwiegenen Heimlichkeiten kennt Tante Maggie May ( Lilly Forgách), die aufreizend unverblümte Dorfnutte, die ihrem liebenswert trotteligen Mann (Butz Buse) zärtlich zugetan ist. Portias Vater (Christian Hoening) schlägt schnell zu, entsprechend verhärmt ist seine Frau (Nikola Norgauer). Jeder verletzt jeden, aber niemand übertrifft an Bösartigkeit die Großmutter im Rollstuhl: Christiane Blumhoff spielt sie schneidend scharf mit hartem Vernichtungswillen.
Wasser rinnt über die Schräge und die schlafende Portia. Man fischt sie tot aus dem Fluss, als tropfendes Bündel hängt sie in der Luft - ein starkes Bild. Drunter zerfleischt sich die Familie in Regencapes bei der Beerdigung. Danach sitzt Portia wieder zu Hause - war das nur ein Traum? Nein, sondern ein dramaturgischer Kniff, der das Rätsel ums böse Ende vorher beleuchtet.
Metropoltheater, 4., 5., 7. - 9., 11., 12., 14. - 16. Dez.2012, 10. - 13., 15. - 19. Jan.2013, 20 Uhr (So 19 Uhr), Tel. 32 19 55 33, info@metropoltheater.com