Anton Prestele mit neuem Werk im TamS

Vom Birnbaum des Lebens und des Sterbens

von Gabriella Lorenz

Christian Buse und Lorenz Claussen (Foto: Hilda Lobinger)

Da liegen sie in ihren Krankenbetten, zwei todgeweihte Krebspatienten. Der eine von Kopf bis Fuß weißbandagiert mit roter Nase, der andere distinguiert im dunklen Pyjama. Und sie reden ebenso valentinesk wie ernsthaft über ihre nahes Ende. Neben ihnen wächst ein Birnbaum, gelegentlich kommt ein Pärchen vorbei und singt "Drunt in der greana Au steht a Birnbaum so blau, juchhe". Zwischen absurder Komik und zarter Tragik bewegt sich das neue Opus "Birnbaum so blau juchhe" von Anton Prestele, dessen Uraufführung der Komponist, Autor und Regisseur im TamS inszenierte.

Anton Prestele wurde 1985 berühmt mit seiner Wirtshausoper "Heimatlos". Der 63-jährige Allroundmusiker hat sich nie einem System angepasst und blieb mit all seinen Projekten, auch als Solo-Performer, immer weit jenseits des Mainstreams. Eine Gallenkolik brachte ihn unlängst auf die Intensivstation - das ließ ihn über das Sterben nachdenken.

Den Birnbaum pflanzte man einst auf Gräber - aber in dem Münchner Volkslied steht der Birnbaum in all des strophischen Verästelungen vom Zweigerl bis aufs Nesterl eher für Neuanfänge. Um diese Spannweite geht's Prestele. Seine Protagonisten sind letztlich Clowns: Der fast schon als Mumie verpackte Christian Buse macht den prolligen dummen August, sein philosophisch stoischer Bettgenosse Lorenz Claussen ist trotz seines Intellekts nicht unbedingt klüger. "Geht die Angst vom Reden weg?", fragt auch er sich.

Anton Prestele dirigiert sein sythetisches Orchester, hier ein Archivbild (Foto: Hilda Lobinger)

Die Dialoge sind witzig und bairisch-lakonisch - Valentin schwebt über allem. Prestele nennt sein Werk eine "Kammeroper für vier Schauspieler, Geige und DJ". Den DJ gibt er selbst: Im Dirigentenfrack steuert er vom Mischpult in der ersten Reihe sein synthetisches Orchester, das die fabelhafte Life-Solo-Geigerin Katja Duffek unterstützt. Das eine Oper zu nennen, ist etwas vermessen. Es ist ein strophisch gegliedertes Kammerspiel, die Musik setzt szenische Zäsuren. Burchard Dabinnus und Ines Honsel singen das "Birnbaum"-Volkslied, musikalisch immer leise halbschräg verschoben. Und wagen als Arzt und Schwester auch mal ein Tänzchen, ehe die Todeskandidaten nach Hause entlassen werden. Der eine geht bewusst zum Sterben, der andere glaubt naiv ans Leben - aber beide sind nur zwei Seiten desselben Menschen.

Nächste Vorstellungen im TamS-Theater, Haimhauserstr. 13a in München am 15., 17., 21.-24.November, 1., 5., 6., 8., 9. Dezember 2012, 20.30 Uhr, Tel. 089/345 890. Am 24. November 2012 nach der Vorstellung Publikumsgespräch mit Prof. Eckhard Frick.

Veröffentlicht am: 15.11.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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