Elina Garanca bei den Opernfestspielen

Wenn die Kraft des Ausdrucks protzigen Glamour verdrängt

von Volker Boser

Einzigartige Bühnenpersönlichkeit: Elina Garanca; Foto: GABO / Deutsche Grammophon

Elina Garanca zu Gast bei den Münchner Opernfestspielen: Neunzig Minuten erlebten die Zuhörer im ausverkauften Nationaltheater konzentrierte, ernsthafte Liedkunst ohne Glamour und halbseidene Show-Effekte. Die Mezzosopranistin triumphierte "nur" durch ihre Stimme und die gestaltende Kraft des Ausdrucks, eine Bühnenpersönlichkeit von einzigartigem Rang. Das teilte sich den meisten Zuhörern auch auf bezwingende Weise mit.

Nur einer hatte offenbar unstillbaren Appetit auf Zirkus: Als die Sängerin gerade die dritte Zugabe ankündigen wollte, rief er laut „Habanera“ – was bei Elina Garanca einen Lachanfall auslöste: "Carmen in einem Liederabend?", fragte sie, schickte aber sogleich ihren Klavierbegleiter hinter die Bühne, um die Noten zu holen. Schließlich weiß sie, was sie ihren Fans schuldig ist. Weltkarriere macht man nicht mit intimen Gesängen von Schumann, Alban Berg und Richard Strauss.

Dabei ist der Opernstar aus Lettland, vielleicht ja auch zur Überraschung mancher ihrer Anhänger, eine überaus sorgfältige Liedersängerin. Gelegentlich hielt sie sich fast zu sehr zurück, etwa in der "Heimlichen Aufforderung" von Strauss, die, von Tenören geschmettert,  zumeist mit protziger Allüre präsentiert wird. Doch in Schumanns "Frauenliebe und –leben" gelang ihr nahezu die Quadratur des Kreises. Der Zyklus erzählt bieder und larmoyant in einer Reihe von  längst anachronistischen Gedichten (Adalbert von Chamisso) von der erwachenden Liebe eines Mädchens, vom Glück, Mutter zu sein und dem Schmerz beim Tod des Gefährten: "O, wie bedaure ich doch den Mann, der Mutterglück nicht fühlen kann." Elina Garanca "rettete" solche Textpassagen, indem sie einfühlsam auf Distanz ging. Lediglich die sieben frühen Lieder von Berg schienen ihr ein wenig Mühe zu bereiten, weil sie für ihre Stimme wohl doch ziemlich hoch liegen.

Schade, dass Roger Vignoles am Flügel derart farblos blieb. Keine Rose ohne Dornen. Er servierte zumeist nur Noten statt Musik, was vor allem den Nachspielen zu den Schumann-Gesängen gar nicht gut tat. Elina Garanca hätte einen besseren Partner verdient.

Veröffentlicht am: 30.07.2012

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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