Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim zu Gast im Gasteig: Keine Konkurrenz für Münchner Orchester

von Volker Boser

Staatskapelle Berlin unter Daniel Barenboim (hier eine Archiv-Aufnahme / Foto: Monika Rittershaus, 2010)

Vor 442 Jahren gegründet, ist die Staatskapelle Berlin, das offizielle Orchester der Berliner Staatsoper, eines der ältesten Klangkörper der Welt. Seit 1992 hat Multitalent Daniel Barenboim das Zepter in der Hand. Gerne würde man sich mit den Berliner Philharmonikern auf gleicher Höhe messen. Aber dorthin ist, wie das Münchner Gastspiel zeigte, der Weg noch weit.

Ein ungewohnter Anblick: Das Orchester hatte sich in die hinterste Ecke des Podiums verkrochen. Vor dem Dirigenten hätte eine Ballett-Compagnie mühelos ihre Pirouetten drehen können – und bis zur ersten Reihe wäre immer noch genügend Abstand gewesen. Mit diesem Trick wollte man offenkundig die desolaten akustischen Verhältnisse im  Gasteig bekämpfen. Das Ergebnis war - von einem der vorderen Parkettplätze vernommen - nicht eben umwerfend. Die Philharmonie bleibt, was das Hörvergnügen betrifft, weit hinter den Ansprüchen zurück.

Daniel Barenboim und die Staatskapelle Berlin begannen mit Mozarts Krönungskonzert KV 537. Der Maestro, der so gerne Klavier spielt, nuschelte die Tonkaskaden milde artikuliert in den Raum. Das Larghetto nahm er schneller als üblich. Dadurch ging einiger Zauber  verloren. Das Orchester hing dem Chef an den Lippen. Vor allem die Holzbläser zeigten sich von ihrer besten Seite. Was aber nichts daran änderte, dass, verglichen mit Barenboims früheren Mozart-Auftritten, die Enttäuschung überwog. Derart unkonzentriert sollte sich ein Weltstar nicht präsentieren.  Die Zugabe gab es schon vor der Pause: das sanft gesäuselte Andante aus der Klaviersonate KV 330.

Als Bruckner-Dirigent hat sich Daniel Barenboim längst einen Namen gemacht. Seine Gesamtaufnahme der Symphonien mit den Berliner Philharmonikern profitiert vor allem von den Qualitäten des Orchesters. Im Gasteig erklang die vierte Symphonie („Die Romantische“) kraftvoll strukturiert, Die Steigerungen waren effektvoll inszeniert. Wild und entschlossen trieb der heftig gestikulierende Tausendsassa das Geschehen voran. Celibidache oder Günter Wand waren weit weg. Stattdessen dessen hörte man Bruckners Musik so, als hätte sie Schostakowitsch komponiert: grell, aggressiv, theatralisch. Dazu trug auch das wenig sensible Musizieren der Berliner Staatskapelle bei – für Münchens Spitzenorchester ist sie keine Konkurrenz.

Daniel Barenboim, diesem wunderbaren Musiker, möchte man raten, ein wenig kürzer zu treten und nicht auf jeder Hochzeit tanzen zu wollen. Ein guter Dirigent zu sein, wäre doch genug. Auf die derzeit ziemlich unvollkommenen Klavierkünste würden wir gerne verzichten.

Veröffentlicht am: 19.01.2012

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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