Das BR-Symphonieorchester mit bravourösem Alternativprogramm im Herkulessaal

von Volker Boser

Der Dirigent des Abends David Robertson bei Proben im Herkulessaal (Foto: Astrid Ackermann/BR)

Was der Bauer nicht kennt: Es war schon beschämend, wie viele Plätze beim Konzert des BR-Symphonieorchesters im Herkulessaal leer blieben. Berio? Ravel? Beide Komponisten scheinen in der Gunst der auf Mahler und Bruckner getrimmten Abonnenten nicht allzu hoch zu stehen. Und wenn dann noch ein so berühmter Gastdirigent wie Riccardo Chailly krankheitsbedingt absagt, dann bleibt man eben lieber zuhause.

Pech gehabt: wie zumeist in derartigen Fällen waren auch diesmal die Daheimgebliebenen die Dummen. Sie haben etwas versäumt: Denn Luciano Berios „Rendering“ ist beileibe kein Stück, vor dem man davon laufen müsste. Der italienische Komponist (1925 – 2003) hat unveröffentlichte Fragmente und Skizzen von Schubert zu einer amüsanten symphonischen Melange zusammengefügt, dazu ein bisschen Eigenes gemixt –das Werk hat längst seinen festen Platz im Repertoire gefunden. Und der amerikanische Dirigent David Robertson (53) tat alles, um die vielen Zwischentöne dieser in keinem Moment provokanten Musik, die auf faszinierende Weise alt und neu miteinander verknüpft, mit Nachdruck zu präsentieren.

Dann eine bravouröse Sternstunde des Orchesters: Ob es wirklich sinnvoll ist, Ravels vollständiges Ballett „Daphnis et Chlóe“ im Konzertsaal zu präsentieren, ohne dass dazu getanzt wird, sei dahin gestellt. Aber wenn schon, denn schon: David Robertson und dem Symphonieorchester des BR gelang eine hinreißend atmosphärische Aufführung. Die Streicher überboten sich an klanglicher Raffinesse. Die Bläser nutzten die ihnen gegebenen Freiheiten phantasievoll und virtuos. Stellvertretend für alle sei der wunderbare Flötist Philippe Boucly gepriesen – für ihn als Franzosen war es ein Heimspiel.

Einmal mehr wurde deutlich, was für ein Dilemma es ist, dass diese hochkarätigen Musiker noch immer auf einen eigenen Konzertsaal warten müssen. Dass das Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks, verglichen mit der Münchner Konkurrenz, längst in einer anderen Liga spielt, hat es mit diesem Konzert erneut eindringlich unter Beweis gestellt.

Veröffentlicht am: 06.12.2011

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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