Vom Essen in gefährlicher Zeit

von Achim Manthey

Frank Herzog, Gemüserocker, 2009 (Foto: Museum)

Von der Wirklichkeit überholt? Das Ismaninger Kallmann-Museum in der Orangerie zeigt in der Ausstellung "Gaumenfreuden-Augenschmaus" Arbeiten rund ums Thema Essen.

In Zeiten wie diesen, in denen der Verzehr einer Gurke oder Tomate zum Tode führen kann, muss der Besuch einer Ausstellung, die sich die Sinnesfreuden kulinarischer Genüsse zum künstlerischen Thema macht, beklemmen. Die Zahl der von dem rätselhaften Keim Ehec Infizierten, die Zahl der hierauf gemeldeten Todesfälle steigt täglich. Die Ausstellungsmacher sind auf nur mehr zynisch zu nennende Weise von der Realität überholt worden.

Und doch: Das Essen ist ein wesentlicher Teil der menschlichen Kultur, Ausdruck einer Gemeinsamkeit und Entschleunigung in zunehmend hektischen Alltagen, Thema kultischer Rituale und religiöser Zeremonien. Immer schon hat sich die Kunst dem angenommen, wie steinzeitliche Wandmalereien zeigen.

Die Ausstellung im Kallmann-Museum in der Orangerie nimmt sich des Themas auf vielfältige Weise an. Malerei, Zeichnung und Fotografie, plastische Arbeitemn, Installationen, Collagen und Videoarbeiten sind zu sehen. Die Arbeiten zeigen genuss- und humorvolle, auch absurde Inszenierungen, setzen sich aber auch kritisch mit dem Konsum und dem Umgang mit Lebensmitteln auseinander.

Judith Samens, ohne Titel (großes Brot) 2006/2010 (Foto: Judith Samens)

Die junge Frau presst den gigantischen Brotlaib an sich, als sei er ihr Kind. Die fotografischen Arbeiten von Judith Samens erscheinen in ihrer strengen Komposition feierlich, fast melancholisch. Irritierend das Bild ohne Titel (Brötchen), das zwei Semmeln auf Holzscheiben zeigt, die mit den entblößten Brüsten der abgebildeten Frau korrespondieren. Prallen Genuss durch pralle Farben stellt Peter Vogt in seinen 2009 entstandenen Ölgemälden dar, Suppe, auf der Kaviar schwimmt, Knödel in der Terrine, Spargel mit fetter Hollandaise. Man mag hineinspringen in dieses Schlaraffenland. Ganz anders Sonja Alhäuser, die sich in ihrem Aquarell "Kräuterquark und Butterberge" kritisch mit der Massenproduktion von Lebensmitteln auseinandersetzt. Von ihr auch die Installation "Schokoladenmaschine I". Ein Schwimmer taucht fortwährend auf und wieder ab in einem Meer aus dunkler Flüssigschokolade. Vergänglichkeit, den schnellen Genuss dokumentieren Lernert & Sander in ihrem Film "Chocolate Bunny", in dem, eingetaucht in safte lila Farben, ein mit einem Bügeleisen konfrontiertes Schokohasi seinem Ende entgegenschmilzt.

Das biblische Abendmahl-Motiv darf nicht fehlen und ist zweifach in der Ausstellung vertreten. In einer raumgreifenden Inszenierung, die aus einem klappbaren Tryptikon und 12 Einzelbildern besteht, nimmt sich der Münchner Künstler Henning von Gierke des Themas an. Eine Ruheraum in der Ausstellung, der für Unruhe, für Überraschung sorgt, denn der Besucher wird hineinprojiziert in das Bild und damit selbst zu einem der Jünger. Ganz anders das Werk von Caetano Diaz. Der brasilianische Künstler, der in Salvador da Bahia lebt und arbeitet, nimmt auf, dass seine Stadt durch den Zuckerexport zu einer der reichsten Städte Südamerikas wurde. Für seine Arbeiten verwendet er Zuckerrohrmelasse. Die Ausstellung zeigt einen Christus aus Vollrohrzucker, die Jünger als Zuckerköpfe.

Chocolate Bunny, 2007 (Foto: Lernert & Sander)

Dass das alles irgendwann auch wieder raus muss, dass Reste bleiben, ist ebenso zu sehen. In der Installation "Locus iste" zeigt Roswitha Huber in einem Donnerbalken auf Bildern das, was übrig bleibt. Von Ruth Knecht sind in dem Werk "die Kunst der Tüte" unterschiedlich zusammengeknüllte Obsttüten zu sehen, ebenso in Folie eingeschweißte Abfälle.

BSE, Massentierhaltung, Gammelfleisch, Themen, die rund ums Essen interessieren, fehlen in der Ausstellung leider völlig. Sie lohnt den Ausflug vor die Tore der Stadt gleichwohl. Ob Frank Herzogs Gemüserocker die Krise übersteht, bleibt offen.

Bis zum 17. Juli im Kallmann-Museum in der Orangerie in Ismaning täglich ausser Mo. von 14.30-17 Uhr. Die Ausstellung ist Teil des Projektes "Essen und Trinken" des Museumsverbundes "Landpartie-Museen rund um München". Ergänzend ist im Schlossmuseum Ismaning die Ausstellung "Von Tisch und Bett. Ismaninger Gastlichkeit in früherer Zeit" zu sehen.

 

Veröffentlicht am: 29.05.2011

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