Münchner Volkstheater mit "Das hässliche Universum"

Revue zum Ende der Geschichte

von Jan Stöpel

Vier Helden der Popkultur, auf dem Weg zum Ende der Geschichte. Foto: Arno Declair

Das Volkstheater probt den Weltuntergang in satten Farben und mit viel Musik in Laura Naumanns "Das hässliche Universum". Inszeniert hat's Sapir Heller, als schrille Revue zum Ende der Geschichte. Es gibt den schönen Satz von Karl Valentin, wonach die Zukunft früher auch schon mal besser gewesen sei. Ein Satz, so widersinnig wie wahr und von daher exquisiter Komik. Genau genommen gibt es keine Zukunft als Zustand, sondern nur die Vorstellung davon, unsere Wünsche, Erwartungen und Ängste. Man muss zugeben: Die Hoffnungen waren schon mal größer. Und die Furcht schon mal geringer.

Laura Naumanns Stück "Das hässliche Universum" ist ein Abgesang auf die Welt, den Sapir Heller auf der Bühne des Münchner Volkstheaters als mal schrille, mal sanft-melancholische Abschiedsshow inszeniert. Sapir Heller hat, das weiß man seit "Amsterdam" ebenfalls im Volkstheater, einen Hang zur Revue, zum Aneinanderreihen vieler Showacts (Bühne und Kostüme Anna van Leen), deren Stimmen sich am Ende zu einem kunstvollen Gesamtklang verbinden.

Es sind vier Akteure, die im postmodernen Textfluss mal die mal jene Rolle übernehmen: Vincent Sauer als eine Art Freddy Mercury, Silas Breiding als Kirk Douglas im Spartacus-Kostüm, Anne Stein als Dolly Parton und Nina Steils als Frida Kahlo. Sie sind erstmal eine Band, die zum Untergang der Welt ein letztes Konzert gibt. Sie werden aber schnell zu den Stimmen der vielen, die von einem Social-Media-Phänomen namens Rosa künden - einer Mischung aus Greta Thunberg und Vernon Subutex, Helden einer Subkultur, Messiasse einer Gesellschaft, die an ihrer Gegenwart krankt.

Hört sich ernster an, als es ist. Es ist - unendlicher Spaß kurz vor Schluss. Es sei einfacher, sich das Ende der Welt vorzustellen als das Ende des Kapitalismus, sagt einer der Vier. Man versucht es also erst mal gar nicht. Die komische Fallhöhe ist schon zu Beginn groß: Die Vier singen, Vinzenz Bauer klampft dazu, hebt an zu singen - und es kommt, fern von Freddie Mercurys Pathos, ein knochentrockenes "Oh - it's time." Vinzenz Bauer wiederholt das im Sprechgesang so oft, bis sich der Kitzel des Entnervtseins in Gelächter Bahn bricht. Niemand aber spielt den Soundtrack des Untergangs besser als Silas Breiding, der einen tatsächlich kurz an einen irren Barpianisten erinnert (Musik Ralph Heidel). Ein engagierter Bürger tritt auf, erzählt von Attentaten und Rosa, ein Podcast, den sich die andern drei dann in der Handfläche ansehen. Man kann sich diese Geste ja ohne Smartphone in den Fingern überhaupt nicht mehr vorstellen, so sehr sind die Dinger mittlerweile Teil des Körpers geworden.

Die Vier haben am Ende viel mehr über sich und ihre Befindlichkeiten erzählt als über die sagenhafte Rosa. Hunderttausendfach vernetzt, bringt aber diese ominöse Projektionsfigur am Ende die kritische Masse zusammen. Der Funke, er springt über. Überall nehmen Menschen ein Feuerzeug oder Streichhölzer in die Hand. Die Katharsis kommt im Feuer. Ein Schauspiel eigenartiger Schönheit, das müssen wir nach einem Blick in die entrückten Gesichter annehmen. Und Nina Steils, dass sie sich jetzt, im Angesicht des Untergangs so eigenartig sicher und aufgehoben fühle. So wie noch nie. Wenn man am Ende ist und nichts mehr kommt, dann kommt auch nichts mehr Schlimmes. Dann ist das Ende der Geschichte auch das Ende der Angst. Das Universum, ganz ohne Zuschauer, es könnte dann eigentlich auch ganz schön sein.

Veröffentlicht am: 08.08.2020

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