Der Engelhorn-Nachlass in der Pinakothek der Moderne

Aus dem Vollen geschöpft

von Roberta De Righi

Palermo, Auto 1971, Collage Gouache, 360 x 575 cm. Staatliche Graphische Sammlung, München. VG Bild-Kunst, Bonn 2916

Wer ins Museum geht, denkt nicht gleich ans Geld, sondern macht Pause vom Zwang des Ökonomischen und sucht das Destillat des Irdischen in der Kunst. Dass die öffentlichen Museen, deren Ankaufsetats schon lange gegen Null tendieren, auf Mäzene und Sponsoren angewiesen sind, um ihre Bestände zu erweitern, und wie merkwürdig dabei der Kreislauf des Geldes funktioniert, kann man jetzt in der Pinakothek der Moderne beobachten.

Josef Albers‘ „Homage to the Square: Ritardando“ in kühlen Grün- und Blautönen setzt im Rundgang einen neuen Akzent – es bereichert erst seit kurzem das Haus. Das Gemälde war Teil der privaten Kunstsammlung von Christof und Ursula Engelhorn. Nach dem Tode Christof Engelhorns 2010 ging die Kollektion in die Schweizer Art Mentor Foundation Lucerne über. Nachdem im Mai dieses Jahres auch Ursula Engelhorn starb, ging alles sehr schnell: 58 Exponate aus dem Engelhorn-Nachlass kamen nun als Schenkung an die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen und die Graphische Sammlung, darunter Werke von Ingres, Géricault, Daumier und David, Degas und Seurat, Polke und Palermo, Fred Sandback und Dan Flavin – und viel Kleinteiliges von Beuys.

Jorn Asger, Brand, 1962. Sammlung Moderne Kunst, München. Rechte bei Jorn Silkeborg. VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Nun werden sie erstmals in einer Auswahl präsentiert unter dem unaussprechlichen Titel „Der Stifter, der Anstifter war, weil er wusste, dass die Kunst für alle ist“. In den Graphik-Räumen sind 23 Zeichnungen und Graphiken zu sehen, zehn weitere Stücke sind auf die Bilder-Säle im Obergeschoss verteilt, darunter eine „Natura Morta“ von Morandi, die neben den bereits vorhandenen Stillleben allerdings kein neues Kapitel in dessen Oeuvre aufschlägt.

Wer aber war dieser „Anstifter“? Christof Engelhorn agierte als großzügiger und umtriebiger Mäzen, der vor allem die zeitgenössische Kunst förderte. Üppige finanzielle Ressourcen waren vorhanden, er gehörte zu den Erben des Pharmakonzerns Boehringer Mannheim. Dieser wurde Ende der 1980er Jahre von Cousin Curt Engelhorn steuersparend in eine Holding mit Sitz auf den Bermudas überführt und 1997 für rund 19 Milliarden D-Mark – in Deutschland steuerfrei – an Hoffmann-La Roche verkauft.

Das Ehepaar Engelhorn war in der Münchner Kunst-Szene eine feste Größe, ehe es sich in die Nähe von Luzern zurückzog, wo Christof Engelhorn 2010 starb. Sie gehörten von 1967 bis 2003 zum harten Kern des Galerie-Vereins (heute: PIN.Freunde), dessen Vorsitzender Christof Engelhorn zeitweise war. Einer seiner ersten Entscheidungen war der Ankauf von Bacons „Kreuzigungs“-Triptychon. Der städtische Erwerb der umstrittenen Beuys-Installation „Zeige deine Wunde“, heute im Lenbachhaus, wäre ohne ihn ebenso wenig möglich gewesen wie der von Beuys‘ „Ende des XX. Jahrhunderts“, heute in der staatlichen Pinakothek der Moderne.

Aber die Engelhorns förderten nicht nur die Kunst, sondern auch deren Vermittlung. 1973 initiierten sie in Neuperlach die Aktion „Picasso anmalen“, in deren Verlauf rund 2000 Kinder Picasso-Lithos ausmalten. Den Geist dieses Ereignisses lässt nun Michael Hering, Direktor der Graphischen Sammlung, weiterleben. Er re-inszenierte einen Workshop, bei  dem Kindern im Vorschulalter Werke der Engelhorn-Kollektion als Inspiration dienten: Etwas Daumiers „Don Quixote“ oder Oldenbourgs „Mouse Balloon“. Die Kinderbilder schmücken jetzt den Korridor der Graphischen Sammlung und leiten den Weg zu den dagegen echt alten Meistern – denen sie mit Eigensinn, Farbenfreude und intuitivem Bildverständnis natürlich die Schau stehlen.

Giorgio Morandi, Natura Morta, 1960. Öl a. Leinw. Sammlung Moderne Kunst, München. VG Bild-Kunst, Bonn 2016

Als „heterogen“ bezeichneten die an der Bearbeitung beteiligten Kuratoren die Engelhorn-Schenkung, unfreundlich könnte man das mit „wie Kraut und Rüben“ umschreiben. Doch gerade die Graphische Sammlung darf sich über die Zugänge freuen. Dort hat man die Vielfalt in Kontrasten inszeniert: Davids stolze „Frau mit Turban“ schaut auf das Twombly-Gekrakel nebenan, Degas‘ verhalten farbige „Tänzerin, die Schuhe bindend“  vermittelt von einer Dahlie von Mondrian zur farbsatten Gouache von Sol Lewitt. Und die beiden Kreidezeichnungen von Seurat stehen für sich. Kein öffentliches Museum könnte sich heute solche Blätter noch leisten, darum überschlägt man sich vor Dankbarkeit. Die schnöde Herkunft des Geldes ist da längst sublimiert.

Bis 12. Februar 2017, Di – So 10 bis 18, Do bis 20 Uhr

Veröffentlicht am: 07.12.2016

Über den Autor

Roberta De Righi

Roberta De Righi ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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