Zum Dokumentarfilm "For the Love of Spock"

Der Mann, der seine Rolle liebte

von Isabel Winklbauer

Adam Nimoy, Sohn von Leonard Nimoy. Foto: Gravitas Ventures

Adam Nimoy hat eine Dokumentation über seinen Vater Leonard gedreht. Diesen musste er sein Leben lang mit Millionen Spock-Fans teilen - doch statt Star Trek zu hassen, hat er die Entwicklung der vulkanischen Serienfigur ausgiebig studiert und bietet nun Einblicke, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat.

Der Charme der Dokumentation "For the Love of Spock" (auf Deutsch: "Aus Liebe zu Spock") besteht einerseits darin, dass sie ein Crowd-Funding-Projekt ist. Kein großes Studio hat sich für das Orchideen-Projekt für eingefleischte Fans engagiert, und so hatten Adam Nimoy und sein kleines Team viel Freiheit. Andererseits erlaubt eben diese Freiheit Nimoy, den Charakter Spock neu zu interpretieren. Auch wenn es auf den ersten Blick und für sporadische "Raumschiff Enterprise"-Seher nicht auf der Hand liegt: Spock hat viel mit Liebe zu tun.

Spock, Film- und Fernsehlegende des 20. und 21. Jahrhunderts. Foto: Gravitas Ventures

Als Sohn des 2015 verstorbenen Spock-Darstellers Leonard Nimoy tritt Adam Nimoy zunächst einmal selbstbewusst auch als solcher auf. Seine Interviewpartner - darunter viele, die mit Nimoy senior in den letzten Jahren zu tun hatten, etwa sein Bruder, William Shatner oder Drehbuchautor Simon Pegg - benutzen in den Interviews oft den Ausdruck "dein Vater", was den Zuseher erst einmal stutzen lässt. Ja, Leonard Nimoy war Familienvater. Sein Sohn Adam, seine Tochter Julie und seine Frau Sandra hatten seit 1966 viele Jahre lang mit dem Rummel um Star Trek zu leben, Nimoys erste Ehe zerbrach 1987 unter anderem auch daran. Doch jammern liegt Adam fern, er berichtet lieber davon, wie intensiv sich sein Vater in den ersten Star-Trek-Jahren auf Spock eingelassen hat. Die Rolle war für ihn mehr als eine regelmäßige Arbeit: Wenn er abends gegen sieben Uhr vom Filmset nach Hause kam, legte er Spock nicht ab. Er blieb in der Rolle, igelte sich oft ein, in sich verschlossen und mit den Szenen des kommenden Drehtages beschäftigt. Die Vulkanierfrisur war keine Perücke, er trug sie wirklich. Leonard Nimoy kommt über diese Zeit auch oft selbst zu Wort, und die spannendste Szene ist sicher die, in der er erzählt, wie er den Vulkaniergruß erfand, inspiriert von einem Kindheitserlebnis in der Synagoge. Nimoy nahm die Rolle des Spock als Chance fürs Leben an. Er spielte sie immer wieder - zuletzt 2009 im Kinofilm "Star Trek" - und versuchte auch nie, sie loszuwerden.

William Shatner spricht über seinen Freund Leonard. Foto: Gravitas Ventures

Doch Adam Nimoy geht in "For the love of Spock" noch weiter. Er will wissen, was die Figur des Lieutenant Spock eigentlich attraktiv macht. Dass Spock als Über-Ich funktioniert, im Zusammenspiel mit Captain James T. Kirk als triebgesteuertem Gegenpart, schneidet er nur kurz an. Das ist schon lange klar. Ihn interessieren Spock und die Frauen. Warum um alles in der Welt konnte ein Charakter, der emotionslos und frei von Sexualität angelegt ist, so viele weibliche Anhängerinnen haben? Die Antwort gibt ausgerechnet Angelina Jolie in einer Talkshow mit John Stewart: "He's so repressed. You want to make him scream." Vulkanier nehmen sich nur alle sieben Jahre eine Partnerin, dann aber richtig. In der übrigen Zeit sind sie "intellektuelle, bescheidene Seelen", sagt Zoe Saldana, die Uhura in den neuen Kinofilmen spielt, "das wirkt sehr attraktiv auf Frauen." Ironischerweise ist es aber nicht Kirk, sondern Spock, der in "Raumschiff Enterprise" echte Liebesgeschichten erleben darf. Ist seine vulkanische Selbstbeherrschung einmal außer Kraft gesetzt, sei es durch Pflanzensporen, Tricks der Bösen oder die eigenen Hormone, ist er zu großer Hingabe fähig. Allerdings enden seine Lieben immer tragisch. Seine ihm zugedachte Braut T'Pring lehnt ihn ab, seine große Liebe Zarabeth muss er alleine im Eis zurück lassen, Kirk zuliebe.

Adam Nimoy im Gespräch mit Drehbuchautor Simon Pegg. Foto: Gravitas Ventures

Kirk und Spock - auch dieser Beziehung widmet Adam Nimoy immer wieder Abstecher. Die Verbundenheit der beiden Charaktere ist die wichtigste in Spocks Geschichte, denn in ihr wird Leonard Nimoys Konzeption von Spock am klarsten: Spock lebt durch und für die Freundschaft mit seinem Alter Ego, seiner anderen Hälfte. Er muss Kirk - und in abgeschwächtem Maße auch "Pille" McCoy - verbunden bleiben, damit die große Vision des friedlichen Zusammenlebens der Völker, im Kleinen manifestiert auf der Enterprise, erhalten bleibt. Man erinnere sich nur an seinen dramatischen Heldentod im Kinofilm "Der Zorn des Khan", den er für Kirk und die Enterprise stirbt. Bezüglich des Kirk-Spock-Verhältnisses streift "For the Love of Spock" sogar das Video "What if they hadn't made it to Vulcan in time?" von T. Jonesy und Killa, das Youtube seit zehn Jahren vergeblich versucht, auszumerzen, weil es eine homoreotische Affäre zwischen den beiden impliziert - höchst kunstvoll, zu den Klängen von Nine Inch Nails' "Closer". Es wäre zu spannend, zu hören, was Leonard Nimoy zu dem Video sagte, doch so viel Gewicht räumt Adam dem dann doch nicht ein. Verständlich, denn eine homosexuelle Beziehung wird in "Star Trek" in keinem Moment angedeutet.

Eher muss man die Liebe zwischen Kirk und Spock als Selbstvertrauen deuten, als Liebe zum eigenen Ich, die in die Liebe zum Nächsten mündet. Darauf deutet auch ein Gedicht von Leonard Nimoy hin, mit dem sein Sohn Adam die Dokumentation eröffnet. "Ich bin nicht der Schnellste, nicht der Stärkste oder der Hellste", heißt es darin, "aber eines kann ich am besten von allen: Ich sein."

 

"Aus Liebe zu Spock" ist über iTunes oder Amazon erhältlich. Preis: 9,99 Euro (Kauf) oder 4,99 Euro (Leihen)

Das Video "What if they handn't made it to Vulcan in time" ist entweder über Youtube zu finden (oder über das gemeinnützige Web-Archiv web.archive.org recherchierbar).

Veröffentlicht am: 02.10.2016

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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