Zum Auftakt von Ali Khans neuem Programm "Tourette Tour"

Handlungsreisender in Deftigkeitskurzware

von Michael Wüst

Er könnte. Er khan? Foto: Klaus Pietreck

Schlachthof. Am Eingang zum Saal wird gestempelt. Langsam versammeln sich die Gäste zur Kabarettbeschau. Tourette-Tour heißt der Abend von Ali Khan, dem geschassten Moderator von Radio Charivari. Nach gut 1000 Radio- Shows besinnt sich der mediale Tausensassa auf frühere Tugenden und präsentiert so etwas wie eine Multi-Media-Szeneria-Nabelshow.

Nicht mehr zeitgemäß sei er gewesen oder irgendwie affin, Paraffin, massenkompatibel eingewachst, ohne eigene Klientel, Zielgruppe oder Peergroup… zu ordinär sowieso und bitte, wer versteht hier noch einen Münchener, wenn er nicht FC bayerisch spricht: Charivari olé.

„Morgen geht die Welt unter.“ „Des is mir wurscht, da bin i in Freising.“ Wir sind im Schlachthof. Links und rechts und auf der Rückseite der Bühne Ali-Kahn-Interviews. Frech, daneben, manchmal patzig, Nachfolger von Lanz bei „Wetten dass...?“ würde so einer natürlich nie werden. Wohingegen Lanz eine gute Chance bei Radio Charivari hätte. Länze gibt es genug, Khans weniger.

Das deutsche Entertainment ist nun mal tief in der Krise. Wir stecken in einer Stagflation des Lachumsatzes. Es geht uns zu gut. Das hat uns verbittert.

Einen bösartigen oder einen traurigen Witz hat Ali Khan für sich selbst leider auch nicht übrig. Er bleibt in den Pattern seines vormaligen Entertainer-Lebens, Handlungsreisender in Deftigkeitskurzware, hängen.

Zu Beginn des Abends steht er mit Affenmaske und Scharfrichterbeil fast regungslos eine geschlagene halbe Stunde auf der Bühne. Zwischen stummen Videos und Untergangsmusik baut sich die anfängliche Spannung rasch ab. Eine Dirndlmaus-Assistenz hängt Zettel mit Schlagwörtern von Afghanistan bis Penis auf und ab, es droht Allerwelts-Kabarettwäsche. Dann kommen wirklich witzige Interview-Sequenzen per Video, jetzt immerhin schon mit Ton. Zweifellos, da sind wahre Perlen darunter. Dennoch, es will sich kein Abstand dieses Tourette-Khan zu seinem alten Ego einstellen. Und so entsteht eben keine Fallhöhe der Person eines Entertainers, der nun hier angekommen ist auf der Schlachthofbühne. Im Gestus, im Attackieren der umgebenden Dummheit ist er gleich geblieben. Frech, ordinär, proletig – auch wenn´s denn jetzt in Parodie gekleidet – postuliert wird. Dem Kabarettisten Khan hängt das Entertainerhemd immer noch aus der aus der Hose.

Wäre das nicht nötig gewesen: Einen langen wehmütigen Blick zurück zu werfen, auf sich selbst? Sich so von sich zu entfernen? Wäre es nicht ungleich reicher gewesen, eine Niederlage annehmen? Ein kleiner Schritt wäre das nur gewesen, der die Kraft eines großen Themas in sich getragen hätte. Der gescheiterte Entertainer. Ali Khan könnte das, wenn er es wollte.

Ali Khan war zuvor im Interview mit dem Kulturvollzug.

Veröffentlicht am: 09.10.2013

Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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