Ali Khan über sein neues Kabarett-Programm "Tourette Tour"

"München ist ein rosa Polohemd"

von Michael Wüst

Wie Ali den Khan aus dem Dreck holt. Ein Interview mit Ali Khan, gebürtig Halmatogu, einem der letzten echten Münchner. Am 5. Oktober 2013 stellt Ali Khan sein neues Kabarettprogramm "Tourette Tour" im Schlachthof vor.

Rette sich wer Khan. Foto: Richard Föhr

Ali, ich darf doch Ali zu dir sagen?

Ich bitte darum, Herr Wüst!

In gewisser Weise haben ja Kabarettisten und Satiriker auch so was wie ein Tourette-Syndrom. Sie können einfach ihr Schandmaul nicht halten. Ist das so, oder startest du am 5. Oktober im Schlachthof eine Tour mit der du dich rettest?

Von was, dem Weltfrieden, der geopolitischen Weltlage, der NSA, NSU, meiner Frau? Und ja! Ich werde den Khan aus dem Dreck ziehen, vor den Augen der Weltöffentlichkeit, ja es wird ein Massaker geben, das Laim und die Frau vom Gemüsehändler, die Frau…auf jeden Fall noch nicht so mitgefeiert haben.

Den Parteien im Wahlkampf wirft man ja vor, dass sie sich in ihren Programmen kaum mehr unterscheiden. Man drängt von überall her in die Mitte, wir haben eine Diktatur der Mittelmäßigkeit. In diesem Zusammenhang muss ich da auch an hiesige Privatradios denken. Verstehst du das?

Ja, die Oberfläche ist Inhalt geworden. Die Menschen glauben, den Dreck, den sie 24/7 verzapfen wirklich selbst. Der absolute Sieg des Kapitalismus und des Mainstream an allen Geschmacksgrenzen featured sich natürlich in inzestiöser Weise ununterbrochen. Copy&paste die Musik, die lustigen Moderationen und eben auch die Menschen, die dahinter wirken. Das macht Sinn, weil die Hörer so entlaubt und plattgeschossen sind wie die Regenwälder im Vietnamkrieg. Ich habe sogar meine Radioassistentin Susi Susanna aus der Hölle des Formatradios gerettet und sie zu einer der hochbezahltesten Künstlerinnen Europas gemacht durch das Engagement im Schlachthof. Sie weiss das sehr zu schätzen, obwohl sie behauptet ich sei ein Frauenhasser, die dumme Kuh.

München ist ja mehr als ein rosa Polohemd, mehr als Münchener-Freiheits-Pop und Teenies aus Grafrath, die sich am Wochenende pappige Cocktails durch die Zahnspangen pressen. Manchmal hat man sogar das Gefühl: Sind das nicht sogar schon Auslaufmodelle?

München „ist“ ein rosa Polohemd, sehr gut beschrieben. „Auslaufmodel“ ist übrigens ein aus tourettscher Sicht ein sogenanntes „Hochsicherheitswort“, das nur in Anwesenheit eines katholischen Priesters und seiner Ehefrau seiner eigentlichen Bedeutung zugewiesen werden kann.

Viele Kabarettisten sind ja musikalisch. Josef Hader und Andreas Rebers kennt man am Keyboard, Mathias Deutschmann mit Cello, Franz Hohler mit Bass und Bruno Jonas schmettert Arien. Mit Schlagzeug ist das nicht leicht, obwohl:  Es gab schon mal den Mann mit der Pauke, Wolfgang Neuss. Der war auch Schlagzeuger.

Hm, es stimmt: Ich bin der beste Schlagzeuger unter den deutschen Kabarettisten, soviel ist sicher. Ich bin auch der beste Kabarettist unter den Schlagzeugern. Das Problem ist, dass ich nie Kabarettist werden wollte und das merken die beiden Berufsgruppen. Für die einen red' ich zuviel, den anderen ist es zu laut. Mir wiederum ist das wurscht!

Können Sie mich mal unterhalten? Foto: Klaus Pietreck

Magst du was über dein Programm sagen?

Das ist ja wohl die Höhe! Freilich tu ich mögen! Es ist ein Abend wie jeder andere, an dem ein Mann (Fakt!) mit starken Profilneurosen und Weltmachtanspruch auf die harte Wirklichkeit in Form eines mittelmässig gutaussehenden Publikums trifft. Hätte man mich nur an der Musikademie angenommen, dann würde ich als Schlagzeuger der Oktoberfestband „5 Zipfel und ein Lied“ anständiges Geld verdienen! Aber so bin ich darauf angewiesen, dass mich Menschen als Kulturgut und ihr Lebensideal wahrnehmen und vergöttern… Ach so Inhalte:  Googletranslator trifft zuerst Heino und Van Halen, dann trifft Ali Khan auf Barack Obama auf der Wiesn, dann ein Drummer auf den Zehntelschlag, ferner ein verurteilter Rapper auf den Bruder vom Rhythmus und zuletzt meine Hood auf James Brown. Aber mehr verrate ich jetzt nicht, sonst bin ich ja nicht mehr überrascht von meinen tourettebedingten Wutausbrüchen. Abschließend möchte ich mir erlauben zu erwähnen, dass ihr Familienname in einem Brief eines Veranstalters meines ersten Kabarettsolos im Jahre 1995 für Irritationen sorgte. Es stand dort geschrieben, dass ich mein Publikum mehrmals heftig beleidigt und „wüst“ beschimpft hätte. Da ich aber weiß, dass Sie ein anständiger und höflicher Mensch sind, kann ich nachträglich mit der Behauptung leben. Ich danke Ihnen und nicht zuletzt mir, für Kaffee und Kuchen und den zauberhaften Interviewort, hier auf der Terrasse des Ritz-Carlton Hotels in St. Moritz.

Informationen zur Premiere im Schlachthof finden Sie hier.

Eine Besprechung der Premiere schließlich hier.

Veröffentlicht am: 22.09.2013

Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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