Ursus Wehrli räumt auf bei Truk Tschechtarow

Anarchie der Ordnung

von Achim Manthey

Georges Seurat, Les Poseuses aufgeräumt, Ursus Wehrli, Noch mehr Kunst aufräumen (c) Kein & Aber 2004

In der Ausstellung "Kunst aufräumen" beweist der Schweiter Ursus Wehrli, dass Kunst und Welt effizient, sauber und platzsparend organisiert und präsentiert werden können - ein anarchistisches Lehrstück.

Es ist einfach furchtbar, nervig und verstörend: Dieses Chaos allerorten. Wo, bitteschön, gibt es sie denn noch, diese alles regelnde und erklärende Ordnung der Dinge? In der Kunst etwa? In der Welt gar? Ja nie!

Es mögen Gedanken wie diese gewesen sein, die den Komiker, Kabarettisten und Künstler, der in Zürich lebt und arbeitet, bewogen haben, an diesem untragbaren Zustand etwas zu ändern. Die Idee, Kunst aufzuräumen, kam ihm angeblich eines Morgens beim Semmelholen, als er von einem Wintereinbruch überrascht wurde und an den Ohren fror. So entstehen Legenden.

Emsig machte sich Wehrli an das Aufräumen von Kunst. Schieles Zeichnung "Liegender weiblicher Akt mit angezogenen Beinen" wird als Bindfaden entlarvt, der aufgerollt ein handliches Stück Schnur ergibt, Van Goghs "Schlafzimmer" ist umgeräumt. Magrittes berühmte Pfeife in dem Bild "La trahison des images" wird gerichtet und die Beschriftung "Ceci n'est pas un pipe!" zu einem Häufchen Tabak sortiert. Auch Beethovens "Für Elise" muss dran glauben.

Die sorgfältige Aneinanderreihung von Linien, Noten und Notenbögen ist logisch - und macht das Werk unspielbar, was Generationen von Klavierschülern wie deren Lehrern und Nachbarn zum Segen wird. Und Malevitschs "Schwarzer Kreis" verliert schlicht die Luft und bleibt als zusammengeschnarrter Luftballon zurück. Wie einfach das geht, lässt sich in der Ausstellung mit der Kunstaufräumen-App selbst ausprobieren, gewürzt mit Kommentaren des Künstlers zwischen höhnisch und lobend.

Georges Seurat, Les Poseuses, Original, Ursus Wehrli, Noch mehr Kunst aufräumen (c) Kein & Aber 2004

Und nach der Kunst die Welt. Dieses farbliche Wildparken von Autos im öffentlichen Raum geht natürlich gar nicht. Da musste eine Ordnung her, sortiert nach Farben. Fische sind in Stäbchen-Form ohnehin handlicher und weniger glitschig. Der Weihnachtsbaum kann doch gleich das werden, was er sowieso wird: Kleinholz, ein Häuflein Nadeln und übers Jahr zu verräumender Schmuck. Und was hindert den Menschen, die Buchstaben in der Suppe alphabetisch anzuordnen, anstatt sie wild durcheinander schwimmen zu lassen.

Die Schau ist urkomisch. Wehrlis stellenweise zwingender Logik kann sich niemand entziehen. Auch wenn man die Ausstellung mit dem beglückenden Gefühl verlässt, wie schön das Durcheinander da draußen ist. Hingehen!

Bis zum 16. Dezember 2012 in der Galerie Truk Tschechtarow, Haimhauerstraße 16 in München, Mi, Do, Fr 17-22 Uhr, Sa, So 14-19 Uhr, Eintritt frei.

 

 

Veröffentlicht am: 22.11.2012

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