Cartoons unter freiem Himmel

Hauptsache die Seele ist schwarz

von Achim Manthey

Entführung (Bild: Rudi Hurzlmeier)

Die grandiose Freiluftausstellung "Fiese Bilder - Meisterwerke des schwarzen Humors" im Innenhof des Münchner Isartors nimmt das Thema sehr wörtlich.

"Ein Vogel wollte Hochzeit machen in dem grünen Walde..." Dass es beim Wollen blieb, dafür hat die Katz gesorgt auf dem Cartoon von Gerhard Glück. Nur Zylinder und Blumensträußchen sind übrig von Festmahl. Na dann: "Fiderallala, fiderallala, fiderallalalala". Politisch der Dialog zweier Ärzte auf der Zeichnung von Greser & Lenz zur Überalterung: "Europa ist nicht länger Kontinent, sondern Inkontinent". Und Kittyhawk präsentiert in der Zufahrt zum Serengeti Nationalpark einen Bus mit der Aufschrift "Meals on Wheels".

Es ist böse und gallig, was da 45 der besten Cartoonisten aus Deutschland und Österreich von Rudi Hurzlmeier, Rattelschneck und Steffen Butz bis hin zu Christian Habicht und Erich Rauschenbach an Einblicken in ihre schwarzen Seelen erlauben. Nichts ist heilig, nichts tabu: Himmel und Hölle, Krisenherde, Blondinen und Senioren, Krankheit und Tod. Darf man über alles Witze machen? Man darf, man muss sogar - wenn man sein Handwerk versteht, wie die Künstler hier. Schon Siegmund Freund hatte erkannt, dass Witze helfen, gesellschaftliche Tabu-Themen besser zu verarbeiten. Und Kurt Tucholsky war ohnehin unter Bösgeistern unbestrittender Meinung, Satire dürfe alles.

Tod mit Sterbehelfer (Bild: Til Mette)

Die Idee, Cartoons in einer Freiluftausstellung zu zeigen - die Arbeiten sind deshalb keine Originalzeichnungen - entstand vor vier Jahren in der Cartoonfabrik Köpenick. Im Ostseebad Prerow findet seitdem jährlich die Cartoonair statt und lockt tausende von Besuchern an. Grund genug für den Förderverein Komische Pinakothek als Hauptinitiator, mit Unterstützung des Münchner Kulturreferats und des Valentin-Karlstadt-Musäums diese Schau nach München zu holen und an einem Ort zu zeigen, an dem das Lachen Heimat gefunden haben will.

o.T. (Bild: POLO)

Mit schwarzem Umhang und schwarzem, breitkrempigem Hut steht der Tod neben dem Lehnstuhl, in dem die alte Frau - der Boulevard würde "Oma" sagen - telefoniert: "Hörst du Helga? Ich kann meine Brille nicht finden, aber ich denke, es ist Johnny Cash!!!" Harm Bengen variiert sein Thema. Der Priester im Talar am Sterbebett: "Der Tod ist nicht das Ende". Antwort: "Scheiße". Häufig werden Alltagssituationen und -empfindungen auf's Korn genommen. Der Cartoonist Adamzeigt ein Bärentrio, von denen einer dem Jäger freundschaftlich den Arm um die Schulter legt: "Hey Jungs! Ich muss euch Rudi vorstellen. Er hat gerade meine Schwiegermutter umgelegt". Den Gattenmord kommentiert Beckmit "Ich habe mein Leben vereinfacht" und auf der Zeichnung von Ralf-Alex Fichtner weicht der Wolkenkratzer dem Flugzeug durch einen schlichten Hüftschwung aus. So einfach ist das, wenn es so einfach wäre. Für eine Welt, in der ohnehin zu viel geknipst wird, präsentiert Miguel Fernandez einen Hobby-Fotografen auf einem abstürzenden Felsbrett im Gebirge: "Boh! Die Zoom-Funktion ist ja der Hammer".

Viel Gelächter schallt aus dem Innenhof des Isartors. Befreit zuweilen, oft auch im Halse erstickt. In Zeiten, die ungewiss und schwer sind, hilft die Erkenntnis, dass es anderen noch schlechter gehen kann. Von dem Berliner Liedermacher Ulrich Roski stammt das Lied aus den 1970er Jahren "Ja, komisch ist es schon, wenn einer auf die Schnauze fällt". Das ist fies, stimmt aber. Die Ausstellung ist grandios und uneingeschränkt sehenswert.

Bis zum 16. September 2012 täglich von 11-20 Uhr im Innenhof des Isartors in München, Eintritt 2,50 Euro, Katalog 9,95 Euro.

Veröffentlicht am: 08.09.2012

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