Fotograf Olaf Kreinsen beweist in einer kleinen Werkschau in München, dass er auch bunt kann

von Achim Manthey

Urban Trees, Berlin (c) Olaf Kreinsen

 

Nach den melancholischen Bildern vom Gardasee zeigt die Münchner Fotogalerie im Blauen Haus in einer Werkschau weitere Arbeiten des Fotografen Olaf Kreinsen, in denen es bunt und zuweilen ironisch zugeht.

Der Heilige Stuhl hat Räder. Das Foto bildet einen Rollstuhl unter Papstbildern ab. Hintersinnig ironisch zeigt Olaf Kreinsen in der Reihe "Lourdes: Die Wallfahrer" Szenen aus dem französischen Ort der Hoffnung der Versehrten und Sterbenskranken, die indes auf den Bildern gar nicht vorkommen. Rollwägen, Krücken und andere Gehhilfen reichen aus, um das Geschehen, auch das Nichteintreten der erbetenen Heilung bildhaft zu machen. Lediglich auf einem Bild wird ein Rollstuhlfahrer eilig um eine Häuserecke geschoben, offenbar ungeheilt.

Regenschirme gehen immer. Rot, blau, weiß, möglichst bunt und von oben sind sie als Fotomotiv immer wieder gern genommen. Diese hier aber sind kaputt, zerfleddert, weggeschmissen, in und an öffentlichen Papierkörben und Abfalleimern entsorgt, nutzlos gewordene Metallgestelle, nur noch notdürftig von der Schutzhaut bedeckt. In der Reihe "The Day After" zeigt Olaf Kreinsen einen besonderen Blick auf urbanes Leben. Die Farbaufnahmen sind geprägt von einem Spiel mit Schärfe und Unschärfe. Die Fokussierung auf die farbige Bespannung lässt schon den Schirmgriff in leichte Unschärfe fallen und den weiteren Hintergrund sich auflösen. Das sind fotografische Leckerbissen.

The Day After, Roter Schirm (c) Olaf Kreinsen

Olaf Kreinsen wurde als Film- und Fernsehregisseur bekannt, setzte unter anderem Episoden der "Tatort"-Reihe in Szene. In den letzten Jahren wandte er sich vermehrt der Fotografie zu und erzielte rasch internationale Erfolge, die durch zahlreiche Preise dokumentiert sind. Er lebt und arbeitet vorwiegend am Gardasee.

Seine in der Ausstellung gezeigten Arbeiten bieten das Alltägliche, das jeder von uns sehen könnte, aber nicht sieht. Die Serie "Roadside Sculptures" präsentiert knallgelbe Bistrotische am Straßenrand, die auf ihren nächsten Auftritt warten, in der Ecke geparkte Sonnenschirmständer oder einen belanglos im Raum stehenden Abgrenzungspfosten, hinter dem sich ein roter Teppich über Treppenstufen ergießt. Das alles hat schon bessere Tage gesehen.

Besonders beeindruckt die mehrfach ausgezeichnete Reihe "Urban Trees". Was hat die Birke mit dem daneben plazierten Abfallkorb mitten im Stelenfeld des Holocaust-Denkmals in Berlin  zu suchen? Wie hat sie das Bauwerk überlebt? Ein Hauch verbliebenen Lebens zwischen dem Beton? Ein alter Baumstamm wird von einem Stahlband gehalten und wirkt wie das Bein eines angeketteten Zirkuselefanten. Baumstümpfe, abgestorben und traurig, bleiben als Denkmäler gewesenen Lebens im Straßenbild.

In der Reihe "Die Verhüllung der Welt" war nicht Christo am Werk, sondern die Praxis des Lebens. Da hüllt ein grün-weißes Frotteetuch irgendetwas an irgendeinem Mast ein, ein ummanteltes Motorrad, auf das das Herbstlaub fällt, symbolisiert die Morbidität einer überlebten Bikersaison. Die Verhüllungen öffnen der Fantasie Tür und Tor.

Es sind bemerkenswerte Fotografien. Straight Photography, solche also, die zwar nie ohne Komposition, aber immer ohne Inszenierung und nachträgliche Spielereien am Computer auskommt, die ehrlich und offen ist, offenbart immer auch einen kleinen Blick auf die Person des Fotografen. Danach ist Olaf Kreinsen ein fröhlich-sensibler, zuweilen etwas sehr sentimentaler Beobachter.

Bis zum 17. März 2012 in der Fotogalerie im Blauen Haus, Schellingstraße 143/Ecke Schleißheimer Straße in München, Di-Fr 15-19 Uhr, Sa 11-16 Uhr. Freier Eintritt.

 

Veröffentlicht am: 06.03.2012

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