Theatermasken von Wolfgang Utzt in München: Durch Verbergen deutlich machen

von Achim Manthey

Sphinx, Ledermaske zu "Faust II", 1983 (Foto: Wolfgang Utzt/Stiftung Stadtmuseum Berlin)

In der Ausstellung "In Masken geht die Zeit" präsentiert das Deutsche Theatermuseum in München eine Werkschau mit Theaterarbeiten des Maskenbildners Wolfgang Utzt: So viel Geheimnis sollte öfter kommen.

Blutrünstig geht es los am Eingang zur Schau. Die abgeschlagenen Häupter der Söhne des Titus Andronicus aus Shakespeares gleichnamigem Drama stammen aus der Inszenierung von Hans Neuenfels 2001 am Deutschen Theater in Berlin. Originalgetreue Abbildungen der Schauspielerköpfe, die quasi Leben gerettet haben. Denn so weit, die Darsteller tatsächlich zu enthaupten, wollte selbst Neuenfels bei aller ihm eigenen Radikalregie nicht gehen. Gruselig kommen die Fongerou-Hunde aus Leder und Caché daher, die in Frieder Soltans Inszenierung von "Der Sturm" 1974 am gleichen Theater eine Rolle spielten. Sie bilden ein beeindruckendes Gruppenbild in der Ausstellung.

Maskenzug zu Shakespeares "Der Kaufmann von Venedig", 1985 (Foto: Wolfgang Utzt/Stiftung Stadtmuseum Berlin)

Theatermasken, eine lachend, eine weinend, stehen schon seit der griechischen Antike als Piktogramm für die darstellenden Künste in all ihren Formen. Sie Symbolisieren Herz und Schmerz und Tod und Teufel auf die Bühne gebracht. Masken typisieren. Sie belegen schon seit der Commedia dell'arte eindeutige Figuren wie Harlekin oder Bajazzzo. Masken pointieren, stellen heraus und stellen abseits. Sie unterstützen die Inszenierung, sind Stilmittel der Interpretation eines Stoffes. "Die Maske vor dem Gesicht, oder geschminkt auf der Haut, kann Spiegel, Angriff und gleichzeitig Schutz des Schauspielers sein, Schutz vor dem schizophrenen Gedanken, der zu sein, den man spielt", meinte der Schauspieler Jörg Gudzuhn, der oft mit Utzt gearbeitet hat.

Wolfgang Utzt zählt zu den bedeutensten deutschen Maskenbildnern. 1941 in Senftenberg geboren lernt er zunächst bei Herbert Zeusch am Deutschen Theater Berlin und schließt 1973 das Studium an der Hochschule für Bildende Künste in Dresden mit dem Diplom für Maskenbild-Design ab. Er kehrt ans Deutsche Theater in Berlin zurück, deren Chef-Maskenbildner er von 1979 bis 2003 ist. Über nahezu drei Jahrzehnte ist er an fast allen bedeutenden Inszenierungen dieses Hauses und anderer Bühnen beteiligt, arbeitet mit Regie-Legenden wie Friedo Solter, Thomas Langhoff, Heiner Müller, Robert Wilson und Jürgen Gosch zusammen.Seine Arbeiten, die sich heute im Theatermuseum der Stiftung Stadtmuseum Berlin befinden, dokumentieren ein Stück deutsch-deutscher Theatergeschichte.

Hochstapler, zu Nerudas "Glanz und Tod des Joaquin Murieta", 1974 (Foto: Wolfgang Utzt/Stiftung Stadtmuseum Berlin)

Die Maskenbildnerei ist vielfältig. Von Schminkmasken im Gesicht der Schauspieler, die deren geradezu verstörende Wandlungsfähigkeit zeigen, über die elegant vor das Gesicht gehaltenen Stabmasken und die Ganzgesichtsmasken bis hin zu Ganzkörpermasken, die den Darsteller buchstäblich von Kopf bis Fuss in ein maskenbildnerisches Gesamtkunstwerk verwandeln, wie die für den von Horst Weinkeiner gespielten Hauptmanmn in Mulders Inszenierung von "Hamlet/Maschinen"  1990 am Deutschen Theater Berlin: Eine Komposition aus mittelalterlichem Ritter und modernem Kriegsmonster, nicht Mann, nicht Frau. Aber auch Figurinen gehören dazu, die das Bühnenbild ergänzen, wie für die Inszenierung von Thomas Bernhards "Theatermacher" aus dem Jahr 1989.

Die Ausstellung gliedert sich in fünf Abschnitte. Zu vielen Shakespeare-Inszenierungen hat Utzt gearbeitet, ebenso zu Goethes "Faust". Zu sehen sind fröhliche, die Figuren überzeichnende  Masken zu Christopher Marlowes "Faust. Eine Höllenfahrt", 1996 von Manfred Karge für das Kulturfest Weimar auf die Bühne gebracht. Eine 1983 am Deutschen Theater Berlin geplante, fast achtstündige Inszenierung von "Faust II" wurde nie aufgeführt. Was blieb, sind die Masken von Wolfgang Utzt. Die Adaptionen antiker Epen und Mythen wie zu "Der Kyklop" von Euripides in der Inszenierung von 1994 zeigen zugleich den Versuch, den antiken Stoff ins Heute zu transponieren.

Marquise de Merteuil (Dagmar Manzel) u. "Vicomte de Valmont" (Jörg Gudzuhn) aus Heiner Müllers "Mauser/Quartett/Der Findling" 1991 (Foto: Wolfgang Utzt/Stifung Stadtmuseum Berlin)

Es ist eine ungeheuer vielfältige Schau, die mehrere Besuche lohnt. Neben den Masken in ihren unterschiedlichsten Formen wird Einblick in die Arbeitsweise des Maskenbildners gewährt. Aquarelle auf Fotografien als Schminkvorlagen sind eigene Kunstwerke. Fotostrecken zeigen die Wandlungsfähigkeit von Schauspieler und Maske, die sich im Verlauf eines Stücks vom Jüngling zum Greis verändern. Auch ein Arbeitsplatz ist aufgebaut mit den erstaunlichsten Hilfsmitteln und Werkzeugen. Skizzenbücher und Arbeitsanweisungen des Künstlern vervollständigen das Bild.

Bescheiden hat Wolfgang Utzt seine Arbeit einmal als "Tender-Kunst" bezeichnet. Das zeugt von großem Respekt vor der Team-Arbeit im Theater, vor den Schauspielern als den Akteuren auf der Bühne, vor der Regie und dem Zusammenwirken von Bühnenbild und Maske. Dass es mehr ist, eigene Kunst, die für sich selbst steht, beweist diese sehenswerte Ausstellung. Vieles bleibt geheimnisvoll. Aber dazu sind die Masken ja schließlich da.

Bis zum 29. April 2012 im Deutschen Theatermuseum München, Galeriestraße 4A, täglich außer Mo. von 10-16 Uhr. Zur Ausstellung ist für 15 Euro ein Buch im Verlag Theater der Zeit erschienen.

Veröffentlicht am: 04.03.2012

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