Der Münchner Fotograf Christopher Thomas war in Venedig: Großartige Bilder der schlafenden Serenissima

von Achim Manthey

Bacino di San Marco, 2010 (c) Christopher Thomas, courtesy Bernheimer Fine Arts Photography

In der Ausstellung "Venedig - Die Unsichtbare" zeigt Bernheimer Fine Art Photografie sensationelle Fotografien des Münchner Fotokünstlers Christopher Thomas. Ein neuzeitlicher Blick in die Vergangenheit.

Er hat es wieder getan. Zum Glück. Wie schon bei der Arbeit zu seinem 2009 erschienenen und mit den Deutschen Fotobuchpreis ausgezeichneten Werk "New York Sleeps" hat sich Christopher Thomas 2010 nun in Venedig eingenistet. Im Morgengrauen, zur Abenddämmerung oder auch nachts machte er sich auf zu seinen Streifzügen durch Sestieri, die Viertel dieser Stadt auf den Pfählen. Über 100 Aufnahmen sind dabei entstanden, von denen rund 40 exemplarisch ausgewählte Fotografien nun in der Ausstellung zu sehen sind.

Palazzo Ducale III, 2010 (c) Christopher Thomas, courtesy Bernheimer Fine Arts Photography

Menschenleer sind die Gassen und Plätze. Gleißend reflektiert das Licht der Straßenlaternen auf dem nassen Kopfsteinpflaster der Piazetta San Marco. Auf dem Canal Grande ist kein Schiffsverkehr auszumachen, verlassen scheint der Ort. Wären nicht vereinzelt angetäute Vaporetti oder moderne Yachten an den Anlegern zu sehen, der Betrachter könnte sich versetzt fühlen in vergangene Jahrhunderte.

Der Dogenpalast ist in diffuses Licht getaucht. Der Betrachter vermeint, in jedem Moment Casanova um die Ecke huschen zu sehen auf der Rückkehr ins eigene Bett. Aber er bleibt unsichtbar, geflohen vielleicht über den in geheimnisvolles Dunkel getauchten Aufgang zur Ponte di Rialto. Die Bilder lassen nichts erahnen davon, dass die Lagunenstadt jährlich rund 22 Millionen Touristen zu verkraften hat.

Canal Grande I, 2010 (c) Christopher Thomas, courtesy Bernheimer Fine Arts Photography

Christopher Thomas wird 1961 in München geboren, absolviert die Bayerische Staatslehranstalt für Fotografie und ist mittlerweile weltweit als Werbefotograf gefragt. Seine Reportagen für Geo, Stern, Merian und das SZ-Magazin wurden mehrfach ausgezeichnet. Mit den "Münchner Elegien" und dem Buch "New York Sleeps" zeichnete er sich als künstlerischer Fotograf aus.

In München war er zuletzt im Bayerischen Nationalmuseum mit seinen Arbeiten zur Passion in Oberammergau zu sehen, die 2010 während der Proben entstanden. Er lebt in München und arbeitet da, wo er seine Themen findet.

Die ganz klassischen Motive wie der Dogenpalast, Markusplatz und die Rialtobrücke sind zu sehen. Der Neubau des Teatro la Fenice ist nur eine Gassenbreite entfernt von den gegenüber liegenden, alten und maroden Gebäuden, die keine Palazzi sind, und dokumentiert ganz deutlich den Unterschied zwischen Glanz und Verfall.

Besonders beeindrucken Aufnahmen, in denen Thomas einen streng geometrischen Aufbau gewählt hat. Ins Wasser gerammte Dauben bilden eine Linie, die sich unter der aus leichter Seitenansicht abgebildeten Ponte di Rialto hindurch dem Canal folgend fortsetzt. Das Bild des Palazzo Ducale mit den Fußspuren im Schnee, die den vom Gegenlicht gebildeten  Schatten folgen, ist ebenso mächtig. Aber auch Orte abseits der touristischen Pfande zeigt Christopher Thomas: eine Pasticceria-Bar auf dem Campo Santi Giovanni e Paolo, einen Markt auf der Rio Terà San Leonardo im Aufbau für den Tag oder die Gondelwerft San Trovaso in Dorsoduro.

Piazzetta San Marco, 2010 (c) Christopher Thomas, courtesy Bernheimer Fine Arts Photography

Die Fotos entstanden klassisch analog mit einer Lonhof Technika Großformatkamera auf Polaroid 55 Filmmaterial, das inzwischen nicht mehr produziert wird. Im Pigmentdruck auf hochwertigem Büttenpapier sind ganz großartige, detail- und facettenreiche Bilder entstanden, die eine sehr persönliche, sensible Sicht des Fotografen auf eine dann doch geheimnisvolle Stadt zeigen. "Es ist ein Versuch, die Ruhe Venedigs aus den Bildern des 19. Jahrhunderts wiederzufinden und die Stadt aus dem Massentourismus herauszuschälen", meint der Fotokünstler. Das ist mehr als gelungen.

Fotografie ist ein mit sehr viel Kopfarbeit verbundenes Handwerk. Das Erkennen von Motiven, Situationen und Szenerien, die Umsetzung in ein Bild finden zunächst einmal im Kopf statt. Mut, Ruhe und Gelassenheit vor dem Betätigen des Auslösers lassen Kunst entstehen. Auch das lehrt die Ausstellung.

Bis zum 17. März 2012 bei Bernheimer Fine Art Photography, Brienner Straße 7 in München, Di-Fr- 10-18 Uhr, Sa 11-16 Uhr. Das Buch mit den Venedig-Fotografien von Christopher Thomas und neuen Gedichten von Albert Ostermaier ist im Prestel Verlag erschienen.

20. Februar 2012, 14.25 Uhr: Wir werden auf einen Schreibfehler aufmerksam gemacht. Der Kamerahersteller heisst richtig LINHOF. Dank an Susanne von Gemmingen-Taslaman. (ama)

 

Veröffentlicht am: 20.02.2012

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