Karl-Valentin-Preis an Helge Schneider: Angriff auf den Materialismus

von Jan Stöpel

Ein Preis ist immer eine Auszeichnung: Helge Schneider. Foto: Till Oellerking

Premiere für einen Preußen: Helge Schneider hat als erster Nichtbayer den Karl-Valentin-Preis erhalten, als legitimer Nachfolger des legendären Münchners. Zum Gratulieren kamen die Drei von der geplatzten Biermösl-Blosn und Gerhard Polt.

Nix ist's mehr mit der Biermösl-Blosn, da zog Hans Well eine klare Kante. "Unser Name wird künftig nicht Ex-Biermösl-Blosn lauten", stellte er auf der Bühne der Volkstheaters klar. Ein gemeinsamer Auftritt also irgendwie schon, aber eher als ein letztes Ding, für einen einmaligen Anlass: Die Verleihung oder vielmehr Vergabe des Karl-Valentin-Preises an Helge Schneider. Und als Vorgänger gemeinsam mit Gerhard Polt dem Helge Schneider zu gratulieren, dazu ist das Trio allemal zu haben, zumal unter dem Tarnnamen "Wellsittiche". Sind nicht mal die Stones unter dem Pseudonym "The Cockroaches" in einem kleinen Club aufgetreten?

Seit 2007 gibt es diese Auszeichnung, die Biermösl-Blosn und Gerhard Polt hatten ihn seinerzeit erhalten. In diesen paar Jahren hat der Preis, so viel machte der Ansturm auf die Karten im Volkstheater klar, ziemlich Zugkraft gewonnen, zumindest, wenn er mit so prominenten Namen aufwarten kann wie an diesem Vormittag. Fredl Fesl, auch mal ein Preisträger, war ebenfalls gekommen.

Und so hatte sich ein durchaus nicht faschingsmäßig und doch fröhlich gestimmtes Publikum  eingefunden, zur illustren Uhrzeit 11:11. Geboten wurde ihnen einiges; ein gescheiter, philosophischer Exkurs etwa von Initiator Alfons Schweiggert, der über die Auszeichnung sinnierte – einen Preis ohne Preisgeld, ohne Medaille oder Figur.  "Der Karl-Valentin-Preis zerstört alle materialistischen Erwartungen und damit den Materialismus selbst", sagte Schweiggert. Eine Sprachunterweisung reichte er nach, über den Unterschied von "Nichts" und dem bayerischen "ebbs", knapp über dem Nichts. Der Filmemacher Alexander Kluge, der oft mit Helge Schneider zusammenarbeitete, machte sich seine Gedanken über das Phänomen dieses Großmeisters des Nonsens: "Er braucht nur Doppelpunkt zu sagen oder zu schweigen, und das Publikum gerät in Wallung."

Von Gerhard Polt und den, nun ja, Wellsittichen gab es als Dreingabe aufs Nichts zwei Farbeimer mit garantiert hochschädlichem Inhalt. Wenn er die im Wald oder einem g'scheiten Biotop entsorge, komme er wenigstens für ein saftiges Bußgeld in Frage, kommentierte gallig Gerhard Polt, der Helge Schneider, absurd und abstrus, wahrhaft in der Nähe von Karl Valentin verortete.

Der Meister auf der Bühne in München. Foto: Volkstheater

"Ein Preis ist auch immer eine Auszeichnung", sagte Helge Schneider. Der Vielgepriesene war dann nicht nur in Videoclips zu sehen, als Mann vom Technischen Hilfswerk in Fukushima oder als Gipfeltreffen-Sherpa, er war auch leibhaftig am Flügel zu erleben. Leider viel zu kurz. Er setzte sich an den Flügel, für "die Mondscheinsonate oder so nen Scheiß" und erzählte über Beethoven: "Ein Wahnsinnsklavierspieler, der Beethoven, also er selbst, nicht der Komponist." Ein paar Improvisationen, ein verballhornter Chanson, dann hielt es Schneider nicht mehr an den Tasten. Ein kurzer Blick auf die Uhr, seit 11:11 hier drin, "macht 125 Minuten, das müsste reichen". Sagte es und verschwand hinterm Vorhang.

Keine Zugabe, vor allem nicht die eine, die sich aufgedrängt hätte: Helge Schneider zusammen mit der Biermösl-Blosn oder der Ex-Blosn oder den Wellsittichen - alles hätte das Publikum dankbar angenommen, zumal nach dem furiosen Intermezzo der Drei, mit Michael Wells sensationellem Spiel auf der Bachtrompete. Auch nur eine kurze Nummer der drei Ausnahme-Volksmusiker zusammen mit dem Ausnahme-Jazzer Helge Schneider – das wäre was gewesen. So aber blieb ein leichtes Gefühl der Enttäuschung, nein, nicht über ein Nichts natürlich, aber etwas mehr als Ebbs hätt's sein dürfen.

 

Veröffentlicht am: 25.01.2012

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