Wanderdünen, versinkende Bügeleisen und rostende Säbel - Ein Nachmittag in Wasserburg

von Achim Manthey

 

St. Jakob in Wasserburg am Inn (Foto: Achim Manthey)

Die Zeiten, in denen Bergpanoramen, röhrende Hirsche und obstige Stilleben das Kunstleben in der sogenannten Provinz beherrschten, sind lang vorbei. Kulturengagierte Kommunen, rührige Kunstvereine und mutige Galeristen bemühen sich, abseits der Großstadt Trends in der Kunst aufzuzeigen und zu präsentieren. Der Kulturvollzug möchte Ihnen in den kommenden Wochen in loser Folge vorstellen, was sich im näheren und weiteren Umfeld Münchens in dieser Hinsicht tut.

Wasserburg am Inn. In dem malerischen Städtchen mit seinem Skulpturenweg am Flussufer, der St. Jakob Kirche, dem historischen Rathaus und dem berühmten Laubengang im Zentrum, ist Erstaunliches zu bewundern. Hochwertige Fotografie ist ebenso zu sehen wie ein Überblick über das Schaffen junger Künstler und ein Blick hinter die Kulissen der Museumsarbeit. Und es macht Spaß, dies alles in den Räumen historischer Bürgerhäuser zu sehen, ja, diesen bis unter das Dach nachzusteigen und festzustellen, dass sich Tradition und Moderne nicht zwingend beißen müssen.

Schwarz-weiß-Fotografien von Ingrid Anslinger

Stillleben, Italien 1989 (c) Ingrid Anslinger

Nass glänzendes Kopfsteinpflaster zeigen die 1987 in Jugoslawien entstandenen Aufnahmen. Ein Mann, von dem nur die Beine zu sehen sind, verschwindet durch die nächtliche Gasse. Seine Schritte hallen hinein in die Stille des Bildes, Assoziationen an den "Dritten Mann" stellen sich unwillkürlich ein. Ein scharf konturiertes Stuhllehnengeflecht lenkt auf einem anderen Foto den Blick auf das nur verschwommen erkennbare Fenster im Hintergrund, vor dem eine Taube aufsteigt.

Die Fotogalerie Karin Schneider-Henn präsentiert die zwischen 1973 und 2008 entstandenen Arbeiten der Fotografin, die vor allem durch ihre Architekturaufnahmen und die fotografische Dokumentation der großformatigen Skulpturen, die ihr Ehemann Hansjörg Voth in Afrika errichtet hat, bekannt wurde. Die Fotografien zeige ein kunstvolles Wechselspiel von Licht und Schatten, gleißendes Licht wechselt ab mit tiefem Schwarz. Augenfällig wird das an den in Marokko und Algerien entstandenen Wüstenaufnahmen, die Sanddünen zeigen. Es sind stille, eindringliche Aufnahmen, wie das Stilleben mit zwei auf einem Tisch plazierten Kürbissen oder wie das leicht aufgewühlte Bett in dem Schlafraum, in den der Wind die Gardine weht als Erinnnerung an eine vergangene Nacht.

Die große Kunstausstellung 2011

Amortem, 2008 (c) Sara Gaveau, courtesy AK68

Die Stadt Wassserburg und der Verein AK68 präsentieren im Rathaus und in der Galerie im Ganserhaus 83 Werke von 61 Künstlern der Gegenwart. Gemälde, Graphiken, Zeichnungen, Installationen, Skulpturen und Plastiken und Fotografien werden in den historischen Räumen gezeigt. 169 Künstlerinnen und Künstler im Alter zwischen 21 und 90 Jahren aus dem ganzen Land hatten 331 aktuelle Arbeiten eingereicht. Zu sehen ist ein erfrischender Überblick über die aktuelle Gegenwartskunst.

Franz Xaver Angerer ist mit seiner zweiteiligen, 2011 entstandenen Eschenholzskulptur "Die Tanzenden" vertreten, Irmgard Kempf beweist in ihrer Wandinstallation aus Plexi-Glas "Vice Versa" das Naturgesetz, dass blau und gelb grün ergeben. Witzig die Video-Installation von Jonas Münch, die ein in der Tiefe des Schwarz versinkendes Bügeleisen zeigt. Eher profan die hingetuschten Schafe von Anne Fraaz-Unterhalt. Stark wiederum die nachbearbeiteten Fotografien von Jörg Hasselmeier, von dem mit "Lissabon - 24 Stunden im Wandel" die Langzeitbelichtung eines Straßenzuges zu sehen ist, in der sich der Wandel nur noch auf der Fahrbahn abspielt, während das Umfeld in der Sekunde der ersten Aufnahme eingefroren bleibt. Die deutsch-französiche Künstlerin Sara Gaveau offenbart mit ihrem düsteren Gemälde "Amortem" Todesahnungen. Ausdrucksstark das Ölbild "Hackerbrücke" von Gerhard Prokop, ein auf einem aufwändig nachbearbeiteten Digitalfoto beruhendes Gemälde. Viel Mixed Media ist zu sehen, Acrylmalerei und Fotografie, Foto auf Textil, Asphalt und Tempera oder Haar. Stimmig all das und interessant.

Ein Blick hinter die Kulissen

Museumsarbeit (c) Stadt Wasserburg

"Museen sind Bedeutungsfabriken",  meint der Kulturwissenschaftler und Volkskundler Gottfried Korff. Der Besucher bekommt nur zu stehen, was in den Ausstellungsräumen gezeigt wird. Aber Museumsarbeit ist mehr. In der Sonderausstellung "Ans Licht" bietet das Museum Wasserburg einen Blick hinter die Kulissen. Sammeln, Bewahren, Forschen, Vermitteln: mit diesen vier Stichworten lässt sich der Kern der Museumsarbeit beschreiben. Wer entscheidet eigentlich, was an Kunst und kulturhistorischen Objekten im Museum landet? Und nach welchen Kriterien? Was ist mit den Gegenständen, die ein Museum zwar besitzt, aber nicht ausstellt? Die Ausstellung gewährt Einblicke in die Depotsituation und zeigt die Arbeit von Konservatoren und Restauratoren. Es wird erklärt, warum Museumsleute beim Umgang mit metallischen Gegenständen Handschuhe tragen, warum die alten Degen und Säbel rosten, was dagegen getan werden kann, und warum gleichbleibende Temperatur und Luftfeuchtigkeit von so großer Bedeutung sind. Ein alter Thermohydrograph ist zu sehen. Gezeigt wird aber auch, wann nichts mehr zu retten ist.

Auch Forschung ist ein wesentlicher Bestandteil von Museumsarbeit. Die Objekte müssen erfasst und katalogisiert werden, wobei heute modernste Technik zum Einsatz kommt. Um es überhaupt in einer Ausstellung präsentieren zu können, muss seine Bedeutung für Kulturgeschichte oder Kunst erforscht werden. Die Vermittlung von Kunst und Kultur schließlich stellt die wesentliche Aufgabe der Museumsarbeit dar, das, was für das Publikum nach außen sichtbar wird.

Leider versteckt sich die Sonderausstellung etwas in der ständigen Sammlung. Der Besucher muss sich schon etwas auf die Suche machen, um bei einzelnen Ausstellungsstücken die zusätzlich angebrachten Hinweistafeln zu entdecken. So ganz ans Licht kommt das nicht.

Die Fotografien von Ingrid Amslinger sind noch bis zum 25. September 2011 in der Fotogalerie Karin Schneider-Henn, Schmidzeile 12 in Wasserburg am Inn, Sa und So von 14-18 Uhr bei freiem Eintritt zu sehen.

Die große Kunstausstellung 2011 des AK68 ist noch bis zum 21. August 2011 in der Galerie im Ganserhaus, Schmidzeile 8 in Wasserburg am Inn sowie im Rathaus täglich von 10-18 Uhr zu sehen. Eintritt drei Euro für beide Ausstellungsorte.

Die Sonderausstellung "Ans Licht! Museumsarbeit hinter den Kulissen" wird bis zum 9. Oktober 2011 im Museum Wasserburg, Herrengasse 15, Di-So von 13-16 Uhr gezeigt. Eintritt 2,50 Euro.

Veröffentlicht am: 08.08.2011

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