Shoppingwahn, Schnäppchenjagd und der Rausch vom Duft gespitzter Bleistifte

von kulturvollzug

Ranga Yogeshwar (Foto: WDR)

In den vergangenen Wochen war Ranga Yogeshwar vor allem als Atomexperte für die ARD im Einsatz. Am Donnerstagabend aber beschäftigt er sich mit einem ganz anderen Thema. In seiner Wissensshow "Shoppingwahn und Schäppchenjagd: Wie kauft Deutschland ein?" geht er mit fünf Prominenten, darunter Natalia Wörner und Jimi Blue Ochsenknecht, der Verführbarkeit der Konsumenten auf den Grund.

Herr Yogeshwar, interessiert Sie das Thema Einkaufen wirklich persönlich?

Mich interessieren die vielen Versuchungen, denen wir beim Einkaufen unterliegen. Es ist zum Beispiel erwiesen, dass in unserem Gehirn das Belohnungszentrum aktiv wird, wenn wir ein Rabatt-Schild sehen. Unser Verstand setzt also zum Teil aus. Wir durchleuchten das mit dem Ziel, dass wir vielleicht zukünftig bein bisschen bewusster einkaufen. Insofern betreiben wir auch ein bisschen Aufklärung.

Sind Sie mit Ihrem Wissen denn selbst vor allen Verführungen gefeit?

Ehrlich gesagt, bin ich ein miserabler Shopper. Ich habe vier Kinder, davon sind drei Töchter, und die machen das sehr viel besser. Im Elektronikladen wird es allerdings auch bei mir kritisch. Noch schlimmer ist es in einem Bleistift-Laden.

In einem Bleistift-Laden?

Ja, ich bekomme von dem Duft von gespitzten Bleistiften einen Rausch. Da wird es für mich sehr gefährlich. In Buchhandlungen genauso, ich liebe den Geruch von Papier. Irgendetwas muss da wohl in meiner Kindheit schief gegangen sein. Aber jeder hat eben seine Achillesferse des Konsums. Würde heute ein Alien unsere Städte mit all den Leuchtreklamen und Werbeflächen besuchen, müsste er daraus schließen, dass die Hauptbeschäftigung der Menschen auf der Erde das Einkaufen ist. Und ich behaupte jetzt einfach mal: Der größte Teil der Deutschen kann deutlich mehr Werbesprüche zitieren als Gedichte. Ich will nicht die Gesellschaft umerziehen und das Einkaufen generell verteufeln. Meine Hoffnung aber ist, durch Verstehen etwas verändern zu können.

Können Sie denn das Konsumverhalten Ihrer eigenen Kinder erfolgreich beeinflussen? Auf vielen Schulhöfen ist ja heute am wichtigsten, wer die teuersten Markenklamotten anhat...

Sie müssten mal sehen, wie ich selbst im normalen Leben herumlaufe...

Vor der Kamera sind Sie doch jedenfalls immer fesch angezogen.

Aber wenn Sie genau darauf achten, werden Sie merken, dass ich eine extrem gute Verwertung habe. Ich habe in insgesamt drei Samtjacketts über 200 Sendungen moderiert. Das fällt nur niemandem auf, der keine besondere Affinität dazu hat.

Kleidung braucht man mit Ihnen also nicht einkaufen?

Wenn Sie meine Frau fragen, würde sie nur die Hände über den Kopf schlagen. Aber Sie haben ja nach den Kindern gefragt. Das einzige, was ich versuchen kann, ist mit Vernunft zu argumentieren und ein gutes Vorbild abzugeben. Der Erfolg allerdings ist nur partiell. Entdecken meine Töchter in einer fremden Stadt einen H&M-Laden, bin ich machtlos.

Sie verbinden Wissensvermittlung mit Unterhaltung...

Ja, mit Humor. Ich bin aber insofern ein miserabler Unterhalter, dass ich nie etwas allein der Show wegen mache. Allerdings finde ich, dass man durchaus auch über Inhalte reden kann, ohne dass die Mundwinkel nach unten zeigen. Ich bin glücklich, wenn die Menschen nach einer Show sagen: "Wir haben das verstanden und dabei gut gelacht." Dann schnurre ich.

Ist es nicht extrem schwierig, komplizierte Inhalte wie zum Beispiel zur Atomphysik so herunter zu brechen, dass es auch die Masse versteht?

Man muss sich sehr intensiv und mit viel Leidenschaftmit dem Inhalt auseinandersetzen. Man muss wirklich wissen, wovon man redet und die Zusammenhänge dann für die Zuschauer verständlich machen. Es geht darum, eine Brücke zu bauen und dabei ehrlich zu bleiben. Das gilt für das Thema Reaktor-Unfall genauso wir für das Thema Einkaufen.

Nach den Ereignissen in Fukushima haben Sie versucht, ein wenig gegen die Panikmache vieler Kollegen zu wirken. War das Ihr Hauptziel?

Ich war da zu hundert Prozent bei mir selbst. In solchen Situationen hat man eine echte Verantwortung. Bei einer Katastrophe aber versuchen sich oft alle damit zu übertrumpfen, was noch Schlimmeres passieren kann. Da müssen Sie sewhr standhaft sein und das ist sehr belastend, das gebe ich offen zu. Ich selbst habe extrem viel recherchiert, um ein Bild herauskristallisieren zu können, das möglkichst nahe an der Realität ist. Es geht mir weder darum, zu beschwichtigen noch zu dramatisieren. Meine Aufgabe ist zu sagen, wie die Situation aussieht. Bei einigen Sendern hatte ich aber oft den Eindruck, dass sie von der Hoffnung lebten, dass es noch schlimmer kommt. Die warteten auf die nächste Eskalationsstufe und das finde ich moralisch verwerflich.

Sie sind sehr rational, haben Sie auch mal Angst?

Natürlich, wenn es Indizien gibt, dass etwas gefährlich wird. Die Amerikaner aber haben einen schönen Satz: Fight the fears with the facts. Bekämpfe die Angst mit den Fakten. Denn die Angst ist nie ein guter Begleiter, wenn es darum geht, konkrete Handlungsweisen anzunehmen.

Donnerstag, 20.15 Uhr, ARD

Interview: Angelika Kahl

Veröffentlicht am: 05.05.2011

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