Zum Abschluss des Schäfflerjahrs in München

Was ist dran an der Geschichte von 1517?

von Karl Stankiewitz

Schäfflertanz am Weißenburger Platz. Foto: Michael Wüst

Nach der üblichen Sieben-Jahre-Pause tanzen heuer wieder die Schäffler. Bis zum 5. März 2019 touren sie durch München und das Umland. Historischer Brauch oder Legende?

Mehrmals hat der „Schwarze Tod“ die Stadt des ausgehenden Mittelalters grausam heimgesucht. 1517 soll die Pest dermaßen gewütet haben, dass die meisten Ratsleute der Stadt entflohen und die verbliebenen Bürger ihre Häuser nicht mehr verließen. Damals sollen die Schäffler (der Name ist hergeleitet von Schaff, ein oben offenes Gefäß) ihre Stadt aus der Schockstarre erlöst haben. Sie sollen sich vom Haus des sogenannten Himmelsschäfflers im Färbergraben 20 hinaus wieder gewagt haben auf die ausgestorbenen, teilweise durch Bretter verrammelten Gassen, um dort einen Zunfttanz aufzuführen, das „Kübelstechen“. Soweit die Legende. Nachweisen lässt sich nichts davon .Tatsächlich zeigen die Sterberegister für dieses Jahr keine auffälligen Todeszahlen an.

Eine Chronik des Fachvereins der Schäffler München von 1877 erzählt die Geschichte so: „Während die von der Pest Verschonten bleich und abgemagert, vom Elend zusammengekauert in peinlicher Furcht noch immer in verschlossenen Stuben saßen, erscholl eines Tages auf einmal fröhliche Musik in den Straßen. Alles eilte an die schon lange nicht mehr geöffneten Fenster und siehe da, die Schäffler zogen in aufgeputzten Scharen nach dem Marktplatze, wo sie mit grünbelaubten Reifen einen Rundtanz aufführten und die „Gretl mit der Butten“ – an deren Stelle später die „Hanswursten“ traten – ergötzte Alt und Jung mit ihren Späßen.“

Und weiter in der offiziösen Schäfflertanz-Story: „Alles strömte aus den halb ausgestorbenen Häusern dem Zuge nach und lachte herzlich. Viele waren gestorben, manche aber, von denen der eine den anderen längst tot glaubte, traf sich. Bald wurde es wieder lebhaft in den Straßen, die Glocken ertönten zu Dankgebeten. Alles kehrte zur Ordnung und zur Arbeit mit erstarktem Mute zurück. Da hiermit die Schäffler ihren Zweck erfüllt hatten, durchzogen sie nach dem Tanze in feierlichem Zuge unter Klängen feierlicher Musik sämtliche Straßen der ganzen Stadt.“

Gesichert ist jedenfalls ein Beschluss des Magistrats vom 22. Februar 1702, der dem „gesambten Handwerk der Schäffler“ erlaubte, dass deren „Gesölln den Schäfflertanz (wie es vor alters her gebreichig gewesen) miteinander halten derfen“. Auch für den Sieben-Jahre-Rhythmus findet sich keine stichhaltige Quelle. Die Schäffler selbst verweisen darauf, dass die Pest ungefähr alle sieben Jahre aufgetreten sei – und dass die Sieben als Glückszahl gelte. Jedenfalls wurde der Schäfflertanz im 19. Jahrhundert zu einem Höhepunkt des aufblühenden Münchner Faschings - und früh schon touristisch vermarktet. Hohe Herrschaften ließen sich bei der Teilnahme und Förderung nicht lumpen, sie ließen sich sogar „derblecken“ oder schwarz anmalen.

Kriege und andere Katastrophen ließen den Traditionstanz immer wieder ausfallen. Doch wie einst nach der Pest, so wagten sich 1959 wieder einige der verbliebenen Münchner Fassbinder – andernorts heißen sie Küfer, Büttner oder Böttcher –  hinaus auf die Straßen, um zwischen den Ruinen zu tanzen. Das gefiel den Nachkriegsbürgern. Daher beschloss der Fachverein, den Reigen künftig in der alten, streng reglementierten Weise alle sieben Jahre aufzuführen. Das war  nur deshalb möglich, weil man die Tänze nach festen Tarifen verkauft: an die Stadt, die Staatsregierung, an wen auch immer. Und so ist es noch heut.

Viel Geld können sie freilich nicht scheffeln, die Schäffler. Sie müssen ja eine Menge aufbieten: 20 bis 25 Tänzer, eine Musikkapelle, zwei Reifenschwinger, zwei Kasperl, ein Münchner Kindl, eine Schneiderin, einen Gärtner und einen Busfahrer. Teilnehmen durften ursprünglich nur unverheiratete Schäfflergesellen mit einwandfreiem Leumund, nicht jedoch Schäfflermeister oder deren Söhne. Erst ab den 1960er-Jahren mussten verheiratete und berufsfremde Tänzer zugelassen werden. Da es nur noch einen einzigen Schäfflernetrieb gibt (die Fassfabrik Schmid in der Straubinger Straße), kommen die Männer – Frauen fehlen grundsätzlich – meist aus anderen, artverwandten Berufen.

Alle sind in das Schäfflerkostüm mit schwarzen Schuhen, weißen Kniestrümpfen, schwarzer Kniebundhose, Schurzleder, roter Jacke und grüner Kappe mit weißem Federbusch gekleidet. Vorgeführt werden nicht nur Tänze, sondern auch allerlei Späße und Kunststückerln. Die Reifenschwinger drehen Holzreifen, worin ein volles Weinglas steht (oder mehrere), ohne etwas zu verschütten. Alles immer zur volkstümlichen Melodie: „Aber heit is koit, aber heit is sakramentisch koit...“

Die Tanzgruppen geben oft über 20 Vorstellungen täglich. Bei der letzten – am 5. März in der Fußgängerzone - wird nachts mit Fackeln getanzt; einer oder mehrere der Tanzreifen werden zerbrochen und ins Publikum geworfen. Längst gehören die Schäffler zum historischen Stadtbild  Doch auch außerhalb der närrischen Zeit  können Passanten und Touristen ihren Tanz bestaunen, nämlich jeden Tag zwei Mal: in der unteren Etage des Glockenspiels am Rathausturm. Und seit 1830 gehört der Schäfflertanz auch in vielen anderen Orten Oberbayerns und Schwabens zum Fasching.

Die Schäffler blieben nicht allein mit ihrer Demonstration in Tanzform. Nach deren Vorbild haben auch andere Zünfte auf dem Höhepunkt der Fastnacht allerlei Schabernack getrieben. So führten die Kürschner und die Schustergesellen einen Schwerttanz auf, die Fischer zeigten auf der Isar ein Fischerstechen, die Gschachtgwander einen Reifentanz, die Seilergesellen belustigten in der Neuen Veste mit ihrem „Jacklschutzen“, wobei man sich eine ausgestopfte Menschenpuppe gegenseitig zuwarf. Dieser Brauch wird noch heute in einigen Dörfern des Bayerischen Waldes ausgeübt.

In jener Zeit hat sich auch das bei den Metzgern übliche, zeitweise verbotene „Wasserspringen“, wobei  die Lehrbuben freigesprochen wurden, zur Faschingstradition entwickelt. „Während nämlich die von der Pest übrig gebliebenen mit bleichen Gesichtern und abgemagerten Gliedern noch hinter ihren Guckerln saßen, erschallte Musik, und Schallmey durch alle Straßen. Man eilt an die Fenster, und sieht die Metzger in geputzten Schaaren herumziehen, und die jungen Lehrner derselben in den Fischbrunnen springen, und alles mit Wasser begießen“, berichtet eine Chronik. Alle paar Jahre zogen fortan am Faschingsmontag, nach dem Festgottesdienst in St. Peter, mit Kälberschwänzen behangene Metzgerbuben zum Fischbrunnen, um in althergebrachter Weise getauft zu werden. 1829 wurde sogar ein Festspiel über den Metzgersprung aufgeführt.

Die Metzgerinnung organisiert diesen uralten Brauch nunmehr in Abständen von drei Jahren, das nächste Mal im Jahr 2021. Schauplatz für das spaßnasse Ritual, bei dem die Lehrbuben zu Gesellen „getauft“ werden, ist jeweils der  Fischbrunnen am Rathaus, welchen nicht nur ein riesengroßer Fisch schmückt, sondern auch der erneuerte Überrest von musizierenden Knaben, die große Wasserkübel ausgießen. Ebenfalls am Fischbrunnen findet an Aschermittwoch das „Geldbeutelwaschen“ statt, wobei der Oberbürgermeister den leeren Stadtsäckel ausschüttet. Diese Tradition stammt aus dem Jahr 1426. Damit wollten die Bediensteten ihre Herrschaft darauf aufmerksam machen, dass nach dem rauschenden Fasching der Beutel leer und eine Lohnerhöhung fällig sei.

Der Beitrag stützt sich auf das Buch „Die Große Gaudi“ von Karl Stankiewitz, Verlag Sankt Michaelsbund.

Die aktuellen Schäffler-Termine finden Sie hier.

Im Kulturvollzug erschien ein weiterer Hinweis auf die Schäffler im Ressort "Subjektiv durchs Objektiv".

Veröffentlicht am: 02.03.2019

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