Galaktisches aus Kanada

von kulturvollzug

Kompositionen aus Kanada, Stücke des Lokalmatadors Moritz Eggert und vom Weltbürger Frank Zappa: Eine Mischung, aus der das Quasar-Saxophonquartett aus Québec in der Bayerischen Akademie der Schönen Künste einen einzigartigen Abend gestaltete.

Ein Quasar ist, so steht es geschrieben in Wikipedia, der helle Kern einer weit entfernten Galaxie. Das gleichnamige Quartett stammt aus Montreal, der Kulturmetropole der Frankophonie in Kanada. Dennoch wirkte es wie von einer anderen Welt: Die vier Musiker spielten Neue Musik, wie man sie hier nur selten hört - galaktisch.

Sie begannen mit „Pulau Dewata“ (Fassung für Saxophonquartett) des 1983 mit erst 35 Jahren in Paris ermordeten Kanadiers Claude Vivier. Mit ihren deutschen, hart klingenden Saxophonen zeichneten sie die vielgliedrige Musik in deftigen wie weichen Nuancen nach, wie sie zwischen volksliedhaften Duetten, Gamelanklängen und rockigen Repetitionen changierte und immer wieder in hymnischen Höhepunkten kulminierte.

Nach „Catch“ des in Java geborenen Niederländers Roderick de Man (Jahrgang 1941), der den Bedeutungen des Wortes „catch“ (etwa fangen, sich bewusst werden) klangschön Ausdruck gab, war „Du Souffle“ („Vom Atem“) des in Kanada lebenden Franzosen Phillipe Leroux (geboren 1959) der Höhepunkt des ersten Teils. Leroux komponiert entsprechend der Analyse des Spektrums: Klänge werden elektronisch analysiert, die Naturtöne des Obertonspektrums der Analyse bestimmen Sound und Verlauf des Stückes. Dem Quartett wurde viel Luft abverlangt, mikrotonales Material von Atem zu Atem verändert, bis sich Dur-Akkorde wieder in Spektren auflösten. Pure Faszination!

Simon Martin (geboren 1981) erarbeitete mit den Quasar-Leuten speziell „Projections libérantes“, das nach Elektronik klang, aber nur Livemusik erforderte: Einfache Intervalle wurden durch verschiedene Griffe („Multiphonics“, mehrstimmige Klänge auf einem Instrument) von Stille zu enormer Durchschlagskraft klangfarblich transformiert. Gilles Tremblays „Levées“, Viviers Lehrer, war solide komponiert, wirkte leider etwas verloren.

Dann war der Lokalmatador an der Reihe: Der Münchner Komponist Moritz Eggert (geboren 1965), der zuvor schon durch das Programm geführt hatte. Er nannte nach dem späten Beatles-Song „Helter Skelter“ („Holterdipolter“) sein Stück einfach „Skelter“. Ringo Starr sagt auf der Aufnahme „I got blisters in my fingers“, da hätte nur der Ruf des Baritonsaxophonisten gefehlt: „Ich habe Blasen an den Lippen“. Doch zitierte Eggert den Hardrock der Beatles auch so erfolgreich. Mit Mikrokanons erzeugte er reinste Verzerrung, die Glissandi der E-Gitarren schraubten sich über Vierteltonschritte rauf und runter. Eggert rockte die Bayerische Akademie der Schönen Künste mit sogartigen Momenten, die in ihrer Kraft, ihrem „rasenden Stillstand“ ähnlich meditativ wirkten wie Simon Martin.

Auf dem derart bereiteten Boden fuhr Quasar mit Frank Zappa die Ernte ein. Mit „Black Page No.1“ und „Zombie Woof“ (beide arrangiert durch Walter Boudreaul) erklang überhaupt zum ersten Mal Musik von ihm in diesen heiligen Hallen. Selbst das arriviertere Publikum liess sich gerne mitreissen. Mit einer extrem schnellen und virtuosen Zugabe aus Johann Sebastian Bachs „Kunst der Fuge“ wirbelte der kanadische Quasar Lichtschwaden in die renovierungsbedingt tageslichtlose Akademie. Heftiger Applaus.  

Alexander Strauch

Veröffentlicht am: 17.03.2011

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