Zum Forschungsstand zu Hitlers Museumsplänen für München

Ein zweites "Haus der Deutschen Kunst" auf dem Königsplatz?

von Karl Stankiewitz

Die Pläne für ein zweites "Haus der Deutschen Kunst" in der heutigen Antikensammlung lagen schon in der Schublade (Foto: Archiv Achim Manthey)

Am allerliebsten, wenn er nicht gerade Diktatur ausübte, spielte er sich als begnadeter Künstler auf, als Kunstsachverständiger und Kunstsammler obendrein und nicht zuletzt als Super-Architekt - das natürlich auch nicht ohne diktatorisches Gehabe. Unser Autor beleuchtet, was sich zwischen Wahn und Wirklichkeit bewegte.

In Wien und an der Westfront hatte der junge Adolf Hitler, den die Wiener Kunstakademie zwei Mal abgewiesen hatte, mehrere hundert Zeichnungen, Aquarelle und Gemälde hergestellt, wovon einige - Fälschungen inbegriffen - immer wieder auf dem internationalen Kunstmarkt auftauchen. Seine Kennerschaft demonstrierte er, indem er die moderne Kunst pauschal als "Flut von Schlamm und Unrat" oder "Schmierantentum" bewertete.

Als Sammler wurde Hitler spätestens 2008 bekannt, als in der Kongressbibliothek von Washington ein Album mit Fotos von Kunstweerken auftauchte, die er für seine 1929 bezogene Privatwohnung am Münchner Prinzregentenplatz aus Privatmitteln von seinem Leibfotografen Heinrich Hoffmann ankaufen ließ. Darunter immerhin ein Lukas Cranach, den zuletzt ein New Yorker Händler ersteigerte. Seiner Wahlheimatstadt München schenkte der "Baumeister des Reiches" das "Haus der Deutschen Kunst". Und Linz, wo der kleine Adolf die Realschule besucht hatte, plante er ein monumentales Museum, wofür über 40000 Kunstwerke aus dem 15. bis zum 19. Jahrhundert mehr oder weniger legal eingesammelt und gegen Kriegsende in Salzstollen von Alt-Aussee versteckt wurden.

Diese künstlerischen Rollenspiele sind ziemlich bekannt. So gut wie unbekannt indes war bis vor Kurzem, dass der Mann für "mein München" ein weiteres großes Museumsprojekt entworfen hatte, wahrscheinlich bin in architektonische Details und die Raumeinteilung hinein; eine "Galerie der deutschen Malerei des 19. Jahrhunderts". Diese sensationelle Entdeckung machte der Konservator Herbert W. Rott von den Bayerischen Staatsgemäldesammlungen im Bayerischen Hauptstaatsarchiv. Rott, der die Schackgalerie betreut, und die Kunsthistorikerin Ilse von zu Mühlen wollen jetzt weiterforschen. Man hofft, vor allem in Berlin fündig zu werden, im Bundesarchiv und im Deutschen Historischen Museum, das 4731 Kunstwerke der Linzer Sammlung online gestellt hat.

Aus der vorliegenden Absichtserklärung wird bisher soviel klar: Eingerichtet werden sollte das Museum am Königsplatz, der als Zentrum des entstehenden Nazipartei-Viertels zum "Königlichen Platz" erhoben wurde. Genutzt worden wäre zunächst das klassizistische Gebäude, das König Ludwig I. von Klenze "zur Förderung der Künste und Gewerbe in Bayern" errichten ließ und das heute "Antikensammlung" heißt. Allerdings sollten große Anbauten hinzukommen. Integriert werden sollten nämlich der größte Teil des Bestandes der Schackgalerie und eine Auswahl von Gemälden aus der Neuen Pinakothek. Entstanden wäre quasi ein zweites Haus der Kunst mit permanentem Bestand.

Zur Vorbereitung der Transaktion vergab Hitlers Reichskanzlei kurz vor Kriegsbeginn zwei Aufträge: Der Generaldirektor der Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, Parteigenosse Ernst Buchner, sollte ein Konzept erstellen, was er offenbar auch tat. Leider ist dieses wichtige Dokument nicht mehr auffindbar. Buchner war 1953 noch einmal auf den gleichen hohen Posten gerückt und hatte 1957, kurz vor seinem Abschied, zusammen mit Bundespräsident Theodor Heuß noch den Wiederaufbau der Alten Pinakothek feiern dürfen. Er hatte wohl kein Interesse, dass etwaige, Hitler entgegenkommende Auswahlkriterien bekannt würden. Zumal inzwischen durchsickerte, dass er einst dem "Kampfbund Deutscher Kultur" angehört hatte und am Kunstraubfeldzug der Nazis - Buchner selbst nannte es "Rettung" - nicht unbeteiligt war.

Die zweite Auftragsarbeit aber existiert noch: eine Schätzung des Berliner Kunsthändlers Karl Haberstock vom März 1940 zum Marktwert der Schackgalerie-Bilder. Die Zeit der übertriebenen Hochschätzung des deutschen Impressionismus und noch mehr des Expressionismus sei zu Ende, stellte der Experte fest - und hob den nach 1919 abgefallenen Kunstkurs des 19. Jahrhunderts entsprechend in die Höhe. So notierte er für die düstere "Villa am Meer" von Arnold Böcklin, der letzten von fünf Fassungen, einen Wert von 180000 und für dessen Gemälde "Triton und Nereide" 170000 Reichsmark. Mit an der Spitze der Liste rangierten Werke von Anselm Feuerbach. Auch in der "Linzer Torte" - so der Spott von Kunstexperten - befanden sich 14 Feuerbachs und 13 Böcklins. Dass Kunst keinesfalls "dem Gesetz der saisonmäßigen Leistungen eines Schneiderateliers" unterliege, wie Hitler meinte, störte bei der Taxierung nicht.

Hitlers Kunstgeschmack einschätzend vermutet Schackgalerist Rott, dass dieser die von Haberstock bevorzugten Künstler und Bilder sehr wohl zu seinen Lieblingen zählte. Dass Böcklin kein Deutscher war, sondern Schweizer, und dass die von Feuerbach abgebildeten Römerinnen nicht gerade nordisch aussahen, störte offenbar auch nicht. Zu Hitlers weiteren Favooriten in der Kunstgeschichte gehörten die Münchner Karl Spitzweg und Moritz von Schwind. "Er liebte mythische und historische Motive, Landschaften und Familienbilder, während erv alles Religiöse verabscheute," sagte Ilse von zur Mühlen bei einer ungewöhnlichen Führung zu den "Hitlerbildern" in der Schackgalerie.

Gewiß ist, dass der abgelehnte Kunstmaler Hitler die Kunst als solche abgöttisch liebte. "Kriege kommen und gehen, was bleibt, sind einzig die Werke der Kunst," verkündete er 1942 im Führerhauptquartier. Er war sich sicher, dass ihn das deutsche Volk "auch hier als Sprecher und Ratgeber anerkennen wird".

 

Veröffentlicht am: 17.04.2013

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