25 Jahre Ballettakademie

Im Prinzregententheater tanzt der Nachwuchs dem Technikdiktat davon

von Isabel Winklbauer

Seltener Anblick: Die jüngsten Herren in Ausbildung (Foto: A. Ivanov)

Der Süßigkeitsfaktor war niedrig. Erstmals seit langer Zeit gab es eine Vorstellung der Ballettakademie am Abend, und so waren die kleinsten Elevinnen und Eleven aus der Vorstufe nicht all zu lange auf die Bühne zu sehen. Was schade ist, denn die Ballettmäuse aus der Wilhelmstraße sind nun mal Marzipan. Doch dafür gab es viel Erfreuliches bei der Jubiläumsgala „25 Jahre Ballettakademie“: Eigene Kompositionen, eigene Choreografien und Studenten, die tanzend Geschichten erzählten.

Zugeben tut es niemand, doch Schulvorstellungen sind für junge Tänzer wichtige Berufsmessen. Im Publikum sitzt der Ballettdirektor von Sowieso, also darf das Solo technisch nicht versiebt werden. Solche Gedanken sah man im Eröffnungsstück „Paquita“ noch deutlich in den Gesichtern von Elisabeth Gareis (Paquita), Florian Sollfrank (Lucien) oder auch Qingbin Meng (Pas de Trois). Gerade deshalb war der Wert des darauf folgenden „Modern Reset“ gut zu erkennen. Dessen Musik „Viskningar och rop“ wurde eigens von dem Kompositionsstudenten Henrik Ajax kreiert und live vom Hochschulsinfonieorchester konzertiert, die Choreografie stammt von Ballettdozent David N. Russo. Hier galt es nicht, sich an großen Vorbildern zu messen, sondern das Stück zu transportieren, in dem die Akteure – offenbar Mitglieder einer komplexen, von der Anonymisierung bedrohten Gesellschaft – den Weg zueinander suchen. Schwarze Herren schieben sich merkwürdig desinteressiert schaufensterpuppenhafte Damen zu, tragen sie erleichtert davon. Geborgenheit, wie das Programmheft andeutete, war zwar nicht zu entdecken, dafür aber Tänzerseelen, die endlich locker ließen.

Männer tragen Modepuppen: "Modern Reset" von David N. Russo (Foto: A. Ivanov)

Auch der Volkstanz bekam viel Raum – im Waganowa-Ausbildungsystem spielt er schließlich eine große Rolle. Die jungen Tänzer und Musiker zeigten und spielten einfühlsam einen „Russischen Tanz“ sowie „Chassidische Tänze“. Leider hatte man sie in jiddisch-kitschige Schwarzweißkostüme mit Weste und Kepi kostümiert.

Nach einer „Symphonie Classique“, in der die ganze Schule mitwirkte und das Orchester im ersten Satz ein erbärmliches Schneckentempo an den Tag legte, kam das gewagteste Experiment: Ein „Sommernachtstraum à la Bavarese“. Dozent Kirill Melnikov verlegte Shakespeares Liebesreigen in die bayerischen Berge, Monika Staykova schuf dazu fantasievoll-anarchische Kostüme. Das Ganze klebte dicht an der Vorlage. Doch vermutlich gab gerade das Vertrauen ins Bekannte so manchem Tänzer die Möglichkeit, seinen Schatten hinter sich zu lassen: Florent Operto brillierte als liebenswerter Zenz/Zettel, den man am liebsten knuddeln würde, Melissa Abel zeigte als Theres/Titania Port-de-Bras von majestätischer Größe. Aus dem Corps heraus tanzte sich die furchtlose, ausdrucksstarke Buse Babadag. Möge sie München lange erhalten bleiben!

Das komplette Schülerensemble im Schlussbild der "Symphonie Classique" (Foto: A. Ivanov)

Fürs Erste war es eine einmalige Jubiläumsvorstellung, die Jan Broeckx, Chef der Ballettakademie, hier auf die Beine stellte. Es gibt keinen Grund, daraus nicht eine dauerhafte Einrichtung zu machen. Warum soll Münchens junge Tanzelite immer nur in Matineen nach dem Weißwurstfrühstück auftreten? Einen Abend im Prinzregententheater stemmt sie gut, vor allem, wenn die Zusammenarbeit mit den Musikstudenten noch ausgefeilter wird.

Veröffentlicht am: 31.03.2012

Über den Autor

Isabel Winklbauer

Redakteurin

Isabel Winklbauer ist seit 2011 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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