Panzerballett hämmern Quintolen im Backstage: Irrsinn und Offenbarung

von Michael Grill

Vom Metal die Härte, vom Jazz die Komplexität: Panzerballett. Foto: Zehrfeld/PB

Ein Musikerleben könnte so einfach sein: Drei Akkorde und eine hübsche Melodie - darauf basieren Weltkarrieren. Es geht aber auch anders: Musik als Hochleistungsexperiment, bei dem jede Form ins Extrem getrieben wird. Das Panzerballett um den Gitarristen Jan Zehrfeld ist so ein Fall: Vom Metal die Härte, vom Jazz die Komplexität, und auf jeder Melodiefigur noch eine Pirouette gedreht.

Das ist anstrengend, das nervt jeden unkonzentrierten Hörer, aber wer neugierig ist, was man mit Tönen alles machen kann, für den geht eine neue Welt auf. Das Panzerballett kommt, man glaubt es kaum, aus München, ist aber längst der hiesigen Szene entwachsen.

Beim Auftritt im Backstage durchmaß das Quintett schon in den ersten 30 Sekunden des Openers „The Simpsons“ das ganze Spektrum: Vom Swing bis zum Krach, Zappa duddelt, King Crimson dröhnt. Man ist so perplex, dass erst nach einer Viertelstunde auffällt: Es ist obendrein auch noch alles rein instrumental.

Der Auftritt in der Backstage-Halle. Foto: M. Grill

Ein schwer verdaulicher, alles umarmenden Ansatz, dazu ein Fanatismus, alles bis zur Perfektion zu trieben: „Take Five“ ist „Fake Five“, sie spielen es „in zwei Tempi gleichzeitig“;  „Some Skunk Funk“, im Original von Randy Brecker, hämmert mit Quintolen, fünf Schläge pro Takt, manche im Publikum versuchen tatsächlich mitzuzählen.

Das ist natürlich alles „Konzept“ und steht stets unter Mucker-Gschaftler-Verdacht: Alles ist mehr, mehr, mehr, der Bass hat hier sechs, die Gitarre sieben Saiten, überall fliegen Zitate herum, mal von John Coltrane, mal von Pipi Langstrumpf.

Jan Zehrfeld sagt nach einer Stunde: „Mit Jazzmetal erobert man nicht die Herzen der Frauen.“ Da hat er Recht. Das diesbezügliche Versöhnungsangebot ist „Time Of My Life“ aus „Dirty Dancing“ - doch das Panzerballett haut es so durch den Schredder, dass selbst Jennifer Warnes ins Headbanging verfallen wäre. Es folgen Hommagen an AC/DC und Pantera, Irrsinn und Offenbarung zugleich. Mit einem herrlichen Gitarrenduell, bei dem der neue Gitarrist Joe Doblhofer dem Chef Zehrfeld mehr als nur Paroli bietet, tanzt das Panzerballett schließlich von der Bühne. Das Stück dazu heißt „Mit weißglühendem Morgenstern in Omas frischgebackene Rüblitorte“. Mehr muss man nicht sagen, oder?

 

Panzerballett wieder live am 2.2. 2012 in Landsberg.

Veröffentlicht am: 13.01.2012

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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