Wildes Jammen mit den Red Hot Chili Peppers in der ausverkauften Olympiahalle: Hammerhart, aber nicht durchgehämmert

von Michael Grill

Muskelspiele mit und ohne Schnäuzer. Foto: Stefan M. Prager

Die kalifornischen Red Hot Chili Peppers sind eine Band, die ungefähr alle zehn Jahre den Sound einer Generation prägt. Das war 1989/91 mit „Mother's Milk“/„Blood Sugar Sex Magik“ so, dann wieder 1999 mit „Californication“ – sie wären also inzwischen längst mal wieder dran. Entsprechend groß ist die Spannung in der restlos ausverkauften Olympiahalle.

Und sie legen los wie die Feuerwehr: Das neue „Monarchy Of Roses“ eröffnet sehr cool und verheißungsvoll. Dann sofort jener Song, dessen Intro Spannung aufbaut wie kein zweites: „Can't Stop“ - schon tanzt die ganze Halle, und sie wird sich nun für zwei Stunden auch nicht mehr hinsetzen. Es folgt „Scar Tissue“ mit kleinem Drumsolo, dann „Dani California“ - es ist ein so fulminanter Einstieg, dass man sich zu fragen beginnt, was „RHCP“ eigentlich am Schluss noch werden spielen wollen.

Mit dem Neuen an der Gitarre. Foto: Stefan M. Prager

Sänger Anthony Kiedis sieht gesund aus, trägt aber auch an diesem Abend seinen neuen Ekelschnauzbart zum strengen Seitenscheitel. Gitarrist Josh Klinghoffer, der junge Neuling, erzeugt tadellos den berühmten „RHCP“-Klang aus Funk-Stakkato und Metal-Brett, ist aber im Posing so sehr engagiert, dass man merkt: Hier muss sich jemand noch beweisen.

Die Bühne wird dominiert von einer Konstruktion aus sieben (andere Beobachter sprechen von acht) kleineren hängenden, und einem großen rückwärtigen Screen – im Prinzip sehr einfach, aber technisch hochkomplex und effektvoll. So erinnert die Optik ein wenig an die Liveshows der Briten von Muse, der permanente Fluss der Bilderfolgen wird rasend schnell. Klar: In Zeiten, in denen selbst die Oper mit 3-D-Projektionen daherkommt, darf die Hochkultur des Rock im Wettrüsten nicht den Anschluss verlieren.

Bühnenkunst, zweifellos. Foto: Stefan M. Prager

Die Musik aber ist geprägt von großen Hits und kleinen, sehr wilden Jamsessions. Da geht es sehr laut und heftig miteinander und durcheinander – es liegt trotz aller Technik immer noch etwas Handgestricktes über diesem Konzert, ein sympathisches Risiko, das es spannender macht als andere.

Vor „Throw Away Your Television“ liefert Bassist Flea Balzary ein Solo, dass die Hosenbeine flattern. Der Höhepunkt ist das steinalte „Blood Sugar Sex Magik“ in einer hammerharten, aber eben gerade nicht durchgehämmerten Psychedelic-Version, eine Art Essenz der Band. Das Publikum hat seine größten Favoriten dennoch bei den Welt-Hits der „Californication“-Jahre. Auch insofern ist es imponierend, was die Red Hot Chili Peppers den Leuten an Improvisation und subkulturellem Lärm immer noch zumuten – und damit auch noch gut ankommen. Erst läuft Balzary zur Jam in der  Zugabe im Handstand über die Bühne, dann covern sie – quasi als Nachhilfe fürs Pop-Publikum – den Blues-Urgroßvater Robert Johnnson: „They're Red Hot“...

Am nächsten Tag ist es wieder trocken. Foto: Salvan Joachim

Großer Jubel, ganz großer Jubel. Es war nicht unbedingt gleich der Sound einer neuen Generation, aber doch zweifellos eine der besten Rockshows, die man derzeit sehen kann. Nur: Wer vor gut 20 Jahren die Red Hot Chili Peppers in der Unterföhringer Theaterfabrik gesehen hat, der weiß, dass diese Band einmal eine noch ganz andere Urgewalt hatte, die mit der heutigen nicht vergleichbar ist.

Veröffentlicht am: 07.12.2011

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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