Zum Abschluss der Kraftwerk-Spiele in München: Kommt bitte wieder runter von diesem dreidimensionalen Irrweg!

von Michael Grill

Beim besten Willen nicht atemraubend: Kraftwerk im Kunstbau. Foto: Lenbachhaus

Nun, wo die Kraftwerk-Schau im Kunstbau zu Ende geht, müsste man eigentlich nichts mehr dazu sagen. Doch angesichts der Tatsache, dass in München eine kleine Schlussspurt-Hysterie eingesetzt hat, und dass zu befürchten ist, dass die kleine Beamerflotte jetzt auf Welttournee geht, möchten wir doch ein bisschen Miesepeter spielen: Liebes Kraftwerk, bitte lass es!

 

Um nicht missverstanden zu werden: Ganz zweifellos sind Kraftwerk einer der wichtigsten, wenn nicht gar der wichtigste Beitrag Deutschlands zur neueren Musik. Ihre Musik ist zeitlos, perfekt, visionär und einmalig.

Doch rückblickend bekommt der Münchner Kraftwerk-Doppelpack aus Konzert und Ausstellung tatsächlich eine rostige Patina. Konnte man die Auftritte im Alten Kongresssaal noch als besondere Gelegenheit der Begegnung mit einer Legende genießen, so ergibt die Ausstellung „Kraftwerk. 3-D-Video-Installation“ im Kunstbau eigentlich nur durch den um sie  entstandenen Exklusivitäts-Hype einen Sinn.

Der normalerweise großartige Lenbachhaus-Kurator Matthias Mühling pries die Installation als „eigens für den Kunstbau des Lenbachhaus entwickelt“. Das erweist sich als gewagte Behauptung für eine Folge von Bildern und Videos, die man (zweidimensional) zum Teil seit Jahren im Kraftwerk-Live-Programm sehen konnte und die in ihrer nun erweiterten dreidimensionalen Version allesamt Bestandteil des aktuellen Live-Programms sind.

Natürlich: Das ist hübsch, das ist zuweilen hochästhetisch, das ist eine feine Fortentwicklung der in über 40 Jahren entstandenen Kraftwerk-Welt. Es ist aber nicht atemraubend, wie vielerorts geschrieben wurde. Es ist nicht einmal State of the Art.

Im Rahmen von Pop und Rock kann sich dieses dritte Dimensiönchen nur mit Mühe messen mit dem, was zum Beispiel Bands wie Muse, The Who oder Depeche Mode zweidimensional auf die Bühne und die Screens bringen – von einer Mega-Show wie der letzten Fassung von Roger Waters „The Wall“ wollen wir mal gar nicht reden. Und auch nicht davon, dass die Hardrocker von Kiss schon vor mehr als zehn Jahren die dritte Dimension live (und zwar wirklich: live!) erprobten.

Was Lichtkunst und 3D heute sein können, kann man auf der Biennale in Venedig oder im Lichtkunstzentrum in Unna bestaunen (und hier dann wirklich: bestaunen). Keith Sonnier, James Turrell  - da gehen die Augen auf. Selbst die gerade zu Ende gegangene König-Ludwig-Schau auf Herrenchiemsee hatte technische Ansätze, die Kraftwerk altbacken erscheinen lassen.

Bitteschön, Kraftwerk sind seltene Gäste. Ihr Gesamtwerk bleibt unübertroffen. Aber diese Installation ist meilenweit unter ihrem eigenen Anspruch. Und der Mehrverwertungs-Aspekt riecht nach Ausschlachtung:  Wir machen's uns jetzt mal ganz einfach.

Dabei gibt es ein anderes künstlerisches, also zentrales Hauptproblem: Kraftwerk sind eine Band, die eine Welt aus Musik erschaffen hat, auch wenn Bilder, Figuren, Symbole, also sichtbare Kraftwerks-Zeichen, diese Welt seit Jahrzehnten begleiten – vom Autobahn-Schild bis zu den Roboter-Puppen. Die „Kraftwerk. 3-D-Video-Installation“ degradiert perfekte, zeitlose Klänge zum Hintergrundswummern für eine durchschnittliche Lichtinstallation. Ein Irrweg!

Nur noch heute (Sonntag, 13.11.2011) bis 22 Uhr im Lenbachhaus-Kunstbau im U-Bahnhof Königsplatz.

Veröffentlicht am: 13.11.2011

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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