Rockrevolution aus dem lieblichen Salzburg: "Been Obscene" gaben sich die Ehre im Münchner 8Below

von Michael Wüst

Harmonisch versiert und trotzdem hart: "Been Obscene" aus Salzburg. Foto: Birgit Probst

Es muss nicht die Desert Rock Session eines Josh Homme von den „Queens of Stone Age“ sein. Bester Stoner Rock kommt seit 2007 auch aus dem lieblichen Salzburg: „Been Obscene“. Düster, packend, und absolut sicher in der neueren Tonalität und Melodik dieses speziellen Stils: Sie gaben bei ihrem Konzert im „8 below“ eine fette Breitseite.

Zeichen und Wunder in der Popstadt München. In der Fußgängerzone Schützenstrasse gibt es seit einem Jahr einen Club mit Live-Rock-Music! Klassische Retro-Rock-Ästhetik stimmt gleich ein. Ein rotschummriger Hang Out für anständige, hart arbeitende, hart trinkende Kerle. (Falls es so etwas noch gibt) Vergittertes, grob Geschweißtes. An den Wänden ausrangierte Autotüren, die Bedienung ernstsexy.

Welli-well. Auf der Bühne arbeiten bereits die Vier von der Vorgruppe „Hainloose“. Hart und stoisch. Stück um Stück frisst man sich vor wie mit einem Tunnelbohrkopf durch härtesten Rock. Kaum merklich, unnachgiebig steigerten sich die eher einschichtigen Themen in ihrem Verlauf, bei unverrücktem Beat. Statisch, doch treibend.

Ganz anders „Been Obscene“. Hier ist Vielschichtigkeit Programm. Mit ihrem zweiten Album „Night O´Mine“ setzen Thomas Nachtigal (Gesang, Gitarre), Peter Kreyci (Gitarre), Philipp Zezula (Gesang, Bass) und Robert Schoosleitner (Schlagzeug) tatsächlich ein dickes Ausrufezeichen hinter ihren Anspruch auf einen Platz in der Premier League der Stoner. Von dieser Band wird noch viel zu hören sein! Das handwerkliche Repertoire, der Sound dieser unterirdischen, ölgekühlten Gitarren, die sich durch tektonische Riffschichten arbeiten, der explosive Einsatz wuchtiger Schlagwetter-Breaks nach lyrischen Passagen, eine ganz eigene Melodik, die zwar im Blues gefühlt ist, aber ausgiebig mit „Skalenfremdlingen“ arbeitet – all das ist bei den Anfang Zwanzigjährigen in geradezu unverschämter Weise gegeben.

Die Stücke entstehen in Schichtungen: Ein Thema, das etwa im Blueschema durchgeführt würde, was man sozusagen als lineare Entwicklung ja nachvollziehen könnte? Nein, das Stück wird am Ende das Thema geworden sein. Strophe und Refrain sind nur noch Teile neben anderen im Stoner-Nukleus. Die Gitarristen werden eins, spielen tatsächlich ineinander, obwohl sie auf verschiedenen Ebenen stehen. „Been Obscene“ spiegeln Melodieflächen, sie drehen den Beat, steigen chromatisch auf, wo man sich der Hörgewohnheit nach schon bei der Subdominante wähnte, sie wiederholen, insistieren, perseverieren, als ginge es um ein Kamasutra der Klänge, nur um das Ganze wieder aufzutrennen, schließlich in die Luft zu jagen – es fliegt auseinander und wieder in sich, wie der rückwärts laufende Film einer Explosion. That´s Rock!

Die psychedelische Öffnung der späten 60er Jahre ließ erweitertes Tonmaterial in die Bluesstruktur. Jim Morrison fand den Bandnamen “The Doors” nach dem Wort des Philosophen William Blake: „If the doors of perception were cleansed, every thing would appear to man as it is, infinite.” Bald ein halbes Jahrhundert später stellt man heute fest, dass Bands wie „Kyuss“, „Fu Manchu“, „Queens of Stone Age“, „Them Crooked Vultures“ den Rock in einem Ausmaße erweitert haben wie das vielleicht nur noch mit den Jazzrevolutionen des Blues von Charlie Parker und Miles Davies zu vergleichen ist.

„Been Obscene“ sind auf dem Weg. Sie sind durch die Tür gegangen.

 

 

Veröffentlicht am: 18.10.2011

Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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