Wiederkehr der Schlaghose - aber mit Geschmack: Return To Forever auf dem Tollwood

von kulturvollzug

"Wie konnte ich mir das in den 70ern anhören?" - Return To Forever. Foto: Tollwood

Die 70er Jahre haben uns neben vielen modischen Verirrungen, Love, Peace und Happiness auch manche musikalische Neuerung gebracht. Was sich in der Dekade zuvor schon leicht andeutete, wurde plötzlich zum unerhörten Trend: Jazz und Rock, eigentlich zwei gegensätzliche Pole, näherten sich an, gingen eine wilde Ehe ein und trieben es schließlich ungehemmt. Es war die Zeit der Fusion-Supergroups: Headhunters, Weather Report, das Mahavishnu Orchestra und Return To Forever drangen bis in die Pop-Charts vor. Die letztgenannte Formation hat sich jetzt in die bislang vierte Ausgabe gewagt. „We´re the last band standing“, schmetterte Schlagzeuger Lenny White triumphierend von der Bühne der Gehringer Musik-Arena bei Tollwood ins Auditorium.

Aber ob diese Neu-Auflage nun wirklich so wünschenswert ist? Das Publikum beantwortete das mit einer Standing Ovation. Aber man wird ja noch mal fragen dürfen.

Irgendwie bot das Konzert des seit seinem letzten München-Auftritt merklich abgespeckten Tastenmanns Chick Corea (70), des Bassisten Stanley Clarke (ein jugendlich aussehender 60er), des Schlagzeugers Lenny White (61) und der Neuzugänge, Geiger Jean-Luc Ponty (68) und Gitarrist Franke Gambale (52), viel zum Schmunzeln – weil manche Sequenz wie die Wiederkehr der Schlaghose anmutete. Untragbar dieser Tage. Die Musik der erfolgreichen Return To Forever-Ära ist den Zuhörern und dem Kritiker bestens vertraut, und doch wirkte sie fremd. Denn so kann man heute eigentlich nicht mehr musizieren: bestimmte ästhetische Merkmale des Jazzrock haben sich schon lange überlebt, selbst wenn sie solch pfiffige Tonsetzer wie die Herren des Ensembles einst kunstvoll zu Papier brachten. Der Bombast, der einem da im Zelt um die Ohren gehauen wird, die vollgestopften Partituren, die sich nicht zwischen Verspieltheit und Strenge entscheiden wollen, besitzen etwas Edel-Prolliges – auch wenn manches Stück leicht entschlackt wirkt und andere Nummern für solistische Freiräume in ihrer Struktur aufgebrochen werden.

Es wäre eigentlich ein Konzert zum Fremdschämen gewesen, hätten da nicht eben diese Fünf auf der Bühne gestanden. Sie schienen sich unbändig zu freuen, so, als hätten sie gerade einen alten, vergilbten 16mm-Film angeschaut und sich gesagt, och, lass uns das noch mal versuchen. Das war doch lustig damals. Und so spielten sie denn mit beneidenswerter Unbekümmertheit – so kann man das wohl nur hinbekommen, wenn man es eigentlich nicht nötig hat vom Ruhm alter Tage noch etwas abzuschöpfen – wie das bei vielen unerträglich peinlichen Rock-Dinos oft der Fall ist. Denn alle Return To Forever-Mitglieder haben abseits dieses Projekts echte Karrieren. Nein, hier trumpften alle ganz befreit auf – die teilweise halsbrecherischen Unisono-Passagen und Breaks bewältigten sie ganz beiläufig, wie eine Fingerübung. Und wenn es dann darum ging, solistisch zu glänzen, wusste ein jeder, allen voran Bassist Stanley Clarke, wie man die Massen zum Johlen bringt. Dass das dann eben nicht nur reine Effekthascherei bleibt, sondern hoch musikalisch und, so in diesem Kontext überhaupt möglich, auch ziemlich geschmackvoll ist, spricht für die Klasse der Solisten. Und so war, ob all der schieren Musikalität und Virtuosität, am Ende selbst der versöhnt, der sich zwischenzeitlich fragte: Wie konnte ich mir das damals in den 70ern eigentlich anhören ohne rot zu werden?

Ssirus W. Pakzad

 

Veröffentlicht am: 06.07.2011

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