Kultur-Interview mit CSU-OB-Kandidat Josef Schmid (Folge I)

"Überlegen Sie doch mal, wie viel mehr München hätte erreichen können..."

von Michael Grill

OB-Kandidat Josef Schmid (CSU) in seinem Arbeitszimmer im Münchner Rathaus. Foto: Michael Grill

Er will es diesmal unbedingt wissen: Nachdem der CSU-Politiker Josef Schmid bei den Münchner Oberbürgermeister-Wahlen 2008 dem heutigen Amtsinhaber Christian Ude unterlegen war, sieht er nun, wo Ude altersbedingt im Kommunalen nicht mehr antreten darf, seine große Chance. Im Gegensatz zu seinem SPD-Konkurrenten Dieter Reiter ist der 43-Jahre alte Rechtsanwalt Schmid in der Rathauspolitik profiliert, startet aber trotzdem aus der Position des oppositionellen Herausforderers. Im Interview mit dem Kulturvollzug fordert Schmid eine völlige Neudefinition des Verhältnisses von Stadt und Freistaat in der Kultur, gesteht aber auch bislang unbekannte Seiten seines Musikgeschmacks ein und weiß, warum er und Ude in gewisser Hinsicht "arme Würstchen" sind.

 

Herr Schmid, Sie sind unter den OB-Kandidaten im Münchner Rathaus sozusagen der mit Abstand am längsten amtierende. Trotzdem ist es keine nur rhetorische Frage: Wie schaut eigentlich Ihr Kultur-Profil aus?

Josef Schmid: Ich fange mal mit dem Persönlichen an. Da kommt mein Zugang zur Kultur vor allem über die Musik. Als Jugendlicher habe ich Hammond-Orgel und Schlagzeug gelernt. Ich habe in zwei Bands gespielt. Eine davon war eine Schulband, die schließlich sogar selbst komponierte Songs im Programm hatte, stilistisch war das Pop oder Pop-Rock. Die andere Band war eine Tanzkapelle, mit der wir damals auf Hochzeiten oder Geburtstagen aufgetreten sind - und mit der wir vor allem etwas Geld verdienen konnten. Privat bin ich bis heute ein absoluter Musikfan. Und ich höre so ziemlich alles. Meine Berater sagen mir zwar immer "Sag' bloß nicht, dass Du so ziemlich alles hörst, das ist nicht gut für die Profilbildung" - aber ich bleibe dabei, denn es ist die Wahrheit: Ich höre italienische Musik von Eros Ramazotti bis Laura Pausini. Ich höre Hiphop, von dem Franzosen MC Solaar bis zu Amerikanern und Engländern, ich höre Rock, Hardrock, Heavy Metal. Ich höre Schlager - "Hello Again" von Howard Carpendale fällt mir gerade ein, ein echter Klassiker!

Oje, oje...

Aber ja! Ich habe eine riesige CD-Sammlung, und in der sind sogar einige CDs von Modern Talking!

Herr Schmid, bitte, es geht hier um Kultur!

Da lasse ich mich gar nicht bremsen! Ich höre aber auch Filmmusik oder auch sehr gerne Klassik. "Air" von Bach, eine Traumnummer! Rusalka, was für eine wunderschöne Oper! Darüber hinaus lese ich auch gerne, komme allerdings viel zu selten dazu, seit ich im Stadtrat und OB-Kandidat bin, weil man da immer so viele trockene Beschlussvorlagen lesen muss! Deshalb ist die Literatur bei mir inzwischen etwas in den Hintergrund gerückt, das gebe ich offen zu. Ebenso komme ich leider nur noch sehr selten ins Theater und leider kaum noch ins Kino oder zur Bildenden Kunst.

Herzlichen Dank für den Einblick. Und das Kultur-Profil als Politiker?

Das Kunstareal in der Maxvorstadt - hier sieht Josef Schmid...

Der Kulturpolitiker Schmid findet, dass wir in München vor allem eines pflegen müssten, das sich unter OB Christian Ude nie entwickeln konnte und inzwischen total verkümmert ist: die Zusammenarbeit von Stadt und Freistaat. Wir haben in München drei Weltklasseorchester - zwei staatliche, ein städtisches. Wir haben in München ein einzigartiges Museumsareal, inzwischen Kunstareal genannt, auf dem staatliche und städtische Institutionen nebeneinander situiert sind. Da muss man sich auf vielen Ebenen zusammentun, um etwa den Besuchern ein integriertes Leitsystem zu bieten - und noch vieles mehr. Man könnte hier ganz neue Qualitäten bei der Zusammenarbeit erreichen, etwa auch bei der Vermarktung und der Außendarstellung. Wem ist es denn wirklich bewusst, dass hier diese Fülle an Kulturschätzen existiert? Da gibt es zum Beispiel die staatlichen Pinakotheken und in unmittelbarer Nähe das Lenbachhaus, eine hervorragende städtische Einrichtung, die keinen Vergleich zu scheuen braucht. Warum geht hier nicht mehr zusammen? Wenn man mich also fragt, was anders werden muss: Bei der Zusammenarbeit zwischen Stadt und Staat liegt Potenzial brach, hier kann man ansetzen!

Die städtische Kultur ist doch bislang gar nicht so schlecht damit gefahren, sich in diesem Spannungsfeld zwischen Stadt und Freistaat immer wieder neu beweisen zu müssen. Was sollte besser werden, wenn die CSU auch im Rathaus an der Macht wäre, außer dass dann zum Beispiel ein gerade in Kulturfragen dezidiert München-feindlicher Staatsminister wie Markus Söder auch noch Einfluss auf die Stadtpolitik nehmen könnte?

... noch Möglichkeiten für neue Entwicklungen. Fotos: Achim Manthey

Also, ich muss doch bitten! Bislang war es so, dass ein absolut freistaatsfeindlicher Oberbürgermeister namens Christian Ude mit seinen städtischen Einrichtungen eigenbrötlerisch vor sich hin köchelte. Unter ihm ist zwar - natürlich! - nicht alles schlecht gelaufen, aber die Abgrenzung und die Feindseligkeiten gegenüber dem Freistaat, die waren da und die gingen von Ude aus! Eine ähnliche Feindseligkeit des Freistaats in Richtung München gab es nie. Im Gegenteil! Überlegen Sie doch mal, wie viel mehr München hätte erreichen können, wenn Ude nicht immer wieder blockiert hätte!

Man könnte sicher lange drüber streiten, wer da wen blockiert hat. Sie könnten doch viel einfacher drauf abheben, dass nach so vielen Jahren der Herrschaft einer Partei oder eines OBs ein Wechsel in der Demokratie ohnehin dringend angeraten sei.

Routine ist immer tödlich, wenn man sich nicht aus sich selbst heraus erneuern kann. Das spüre ich in München in besonders starker Weise. Die Koalition aus Rot-Grün legt deutliche Endzeitsymptome an den Tag. In der Kulturpolitik ist das vielleicht nicht so offensichtlich, aber umso mehr auf anderen Politikfeldern. Denken Sie hier nur mal an die Parteibuchbesetzungen bei den städtischen Kliniken oder auch bei der Münchenstift GmbH. Da ist ein System in der Endphase.

OB Ude, der nun bald 20 Jahre regiert, hat sich auch als Kulturpolitiker immer wieder zu profilieren verstanden. Sogar das durchaus nicht nur nett gemeinte Attribut "Schwabinger Schöngeist" hat er nie zurückgewiesen. Es ist mit diesem Kultur-Image in München immer gut gefahren. Warum hat man trotzdem den Eindruck, dass sowohl Sie als auch SPD-Kandidat Dieter Reiter so gut wie kaum auf die Kultur setzen, wenn sie Wähler für sich gewinnen wollen?

Ich glaube, dass Ude dieses Kultur-Image erst in den letzten Jahren wirklich richtig zugelassen hat. Davor war auch er sehr viel vorsichtiger, wenn es um dieses Schöngeist-Image ging, das viele Menschen ja oft nicht so gerne mögen. Ich muss hier aber für mich einschränkend hinzufügen, dass meine Wahrnehmung Münchens in den 90ern nur rudimentär war, weil ich zu der Zeit auswärts studierte. Ich denke aber trotzdem, dass es sich Ude im Wahlkampf 1993 gegen Peter Gauweiler nicht hätte leisten können, schon so sehr als Schöngeist gesehen zu werden wie das heute der Fall ist.

Nun, Ude war sogar schon vor seinem ersten OB-Wahlkampf von 1993 als einfacher Bürgermeister der sogenannte heimliche Kulturreferent.

Mag sein, ich bleibe aber dennoch bei meiner These, gehen wir noch ein Stück weiter zurück: Ude wurde 1990 Bürgermeister, um dann von dort aus von OB Georg Kronawitter sehr geschickt als Nachfolger aufgebaut zu werden. Wenn er da nicht auch ganz andere Themen gehabt hätte, zum Beispiel über seine Arbeit als Mieteranwalt, wäre er nie an diese Positionen gekommen. Ich will damit sagen: Die Kultur ist wichtig, aber für den Wahlkampf eignet sie sich nur bedingt.

Zumindest Kronawitter hat das damals offenbar nicht abgeschreckt, das will was heißen.

Nun, nicht nur bei dieser Kronawitter-Ude-Sache fällt noch etwas ganz anderes auf: Ich habe heute nicht die Möglichkeit wie andere, an der Verwaltung zu partizipieren und durch sie meine Anliegen bekannt zu machen, also einen bestimmten Nutzen aus dem Apparat ziehen zu können. Das liegt auch daran, dass die CSU in München ja entgegen dem neutralen Geist der Gemeindeordnung durch Rot-Grün im Rathaus von einer Beteiligung an der Leitung der Verwaltung ausgeschlossen wird.

Das ist ja eine erstaunliche Parallele zur Argumentation von Christian Ude, der beklagt, dass er als SPD-Spitzenkandidat in Bayern im Gegensatz zu Ministerpräsident Horst Seehofer nicht auf der Klaviatur der Staatsverwaltung spielen kann!

Sehr gut, dass Sie das ansprechen, denn den Gedanken habe ich in letzter Zeit häufiger gehabt, wenn Ude immer wieder jammert, dass er als armes kleines Würstchen gegenüber dieser angeblich riesigen Staatsmacht keine Chance hätte. Aber von der Sache her haben Sie in gewisser Weise Recht: Was soll ich da denn sagen, wo ich neben meiner Kandidatur und meinem ehrenamtlichen Stadtratsmandat auch noch eine Kanzlei betreibe ?

Noch ein armes Würstchen?

Definitiv ist eigentlich schon Fraktionsvorsitzender ein Fulltime-Job, dazu kommt bei mir noch die inzwischen sechs Jahre dauernde Belastung als OB-Kandidat. So könnte ich also das gleiche Klagelied wie Ude anstimmen, aber das ist mir jetzt zu billig. Fakt bleibt allerdings, dass sich Ude damals bei Kronawitter drei Jahre profilieren konnte im Amt des Bürgermeisters, und dann auch noch durch den genau geplanten Rücktritt Kronawitters die beste Ausgangsposition verschafft bekam - das ist der Unterschied. Und auch deswegen haben Sie durchaus Recht, deswegen bin ich kulturpolitisch von der Profilierung her noch im Hintertreffen. Kaum jemand ist so sehr protegiert worden bei seiner Karriere wie damals Ude. Ich habe nun in zehn Jahren im Stadtrat schon sehr bewusst einige Ausschüsse im Rathaus durchwandert, um möglichst viele Einblicke in möglichst viele Politikfelder zu bekommen. Aber zweifellos ist es wahr: Die Kulturpolitik ist sehr facettenreich.

Dann bitte nochmal von vorn: Woran könnte es liegen, dass die Kultur selbst auf der bürgerlichen Seite der Parteien oft nur als marginales Hobby gilt, mit dem man die Massen nicht erreichen könne?

Das kann man so sehen, einen einfachen Grund dafür kann man kaum benennen. Für mich persönlich ist Kultur definitiv kein Luxusgut. Sondern sie gehört für mich zur Daseinsvorsorge, auch wenn sie in der Kulturpolitik meist formalrechtlich eine freiwillige Leistung der Kommune für die Bürger ist. Ich halte es für extrem wichtig, dass wir auch für die kulturelle Versorgung der Bürger einer Stadt etwas tun. Gerade in München sollten wir hier auch Geld in die Hand nehmen. Wir müssen den ewigen Spagat der Kulturpolitik schaffen - die Hochkultur fördern und gleichzeitig genau hinschauen: Was ist das spezifisch Münchnerische? Wie pflegen wir den Humus der Heimatpflege, aus dem irgendwann ja vielleicht auch eine neue Hochkultur erwächst? Gerade wenn ich im Vergleich dazu Berlin betrachte, etwa bei der Förderung der bildenden Künstler, dann wird es höchste Zeit, dass wir in München eine Offensive starten.

Sie haben schon so einige thematische Offensiven, bei der sie den Mainstream ihrer Partei hinter sich gelassen haben: Etwa beim Einsatz für Schwule und Lesben, beim Wohnungsbau...

...Migranten! Oder beim Einsatz für Minderheiten wie die Uiguren. Oder auch viele soziale Themen.

Waren das bewusst gesetzte Ausrufezeichen, um der CSU aus der großstädtischen Position heraus eine bestimmte neue Richtung zu geben?

Zunächst einmal kommt in diesen Haltungen, Kurs-Präzisierungen und - durchaus auch - Kurs-Wechseln meine persönliche Haltung zu bestimmten Themen zum Ausdruck. Und Sie sehen, dass die CSU offenbar auch drauf gewartet hat, diesen Weg mitzugehen - denn sie tut es. Ich komme in meinen politischen Vorstellungen von einem völlig unideologischen, sehr pragmatischen Ansatz her. So ist auch das Wesen der Gemeindeordnung, gemeinsames Zusammenarbeiten zum Wohle der Gemeinde, und das ist die Erwartung der Menschen heute an die Politik. Den Menschen reicht es, dass in einer Großstadt wie München immer noch nach den Vorgaben irgendwelcher Ideologien entschieden wird.

Ist es für Sie denn nun hilfreich oder hinderlich, wenn die CSU im Freistaat stark ist?

Eine sehr gute Frage ... Es gibt ja Leute, die behaupten, wenn der Ude im Freistaat gewinnen sollte, dann gewinne ich in München die OB-Wahl. Weil sich ja München angeblich immer genau anders herum verhält als der Rest vom Freistaat. Damit wurde oft auch schon begründet, warum es in München mit geringsten Ausnahmen seit 60 Jahren SPD-geführte Regierungen gibt.

Traditionell steht der CSU-Kandidat in der Landeshauptstadt München nicht auf der Pole-Position...

Interessant, den Ausdruck mit der Pole-Position benutze ich auch oft. Aber ich ergänze immer, dass seit 1993, seit dem Wahlkampf mit Peter Gauweiler, unsere Chance noch nie so groß war wie jetzt, in München den OB zu stellen. Diese Chance wollen wir diesmal nutzen. Auch wenn uns klar ist, dass es die alten Wählerbindungen so nicht mehr gibt. Das macht uns im Freistaat zu schaffen, aber in München betrachte ich das als Chance. Und für die SPD gilt das umgekehrt genauso.

 

Teil 2 dieses Interviews mit Josef Schmid steht hier.

 

Veröffentlicht am: 25.02.2013

Über den Autor

Michael Grill

Redakteur, Gründer

Michael Grill ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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