Elliot Erwitt - klassische Fotografie auch heute noch gesellschaftsfähig

von Achim Manthey

The Misfits, Reno, Nevada, 1961, Foto und Copyright Elliot Erwitt/Magnum Photos, courtesy Galerie Stephen Hoffman

In der Ausstellung Accrochage mit Originalaufnahmen unter anderem von Elliot Erwitt zeigt die Galerie Stephen Hoffman die Geburt eines Bildes.

1960/61. In der Wüste von Nevada dreht John Huston den Film "Misfits - Nicht gesellschaftsfähig". Bei den Dreharbeiten ist die Agentur Magnum mit zwölf Fotografen vertreten. Unter ihnen Elliot Erwitt. Ihm gelingt es, das Darstellerteam, darunter Marilyn Monroe, Clark Gable und Montgomery Clift, für ein Gruppenfoto zusammenzutrommeln. Das Bild, das in einem großformatigen Abzug in der Ausstellung gezeigt wird, wurde weltberühmt. Es war gar nicht so einfach, die Truppe unter einen Hut zu bringen und ruhig zu halten für die Aufnahme. Das zeigen zahlreiche weitere Fotos im Format 9 x 13, die das fertige Produkt umrahmen. Die Schauspieler albern rum, haben ebenso wie der Fotograf bei der Geburt dieses Bildes offensichtlich einen Riesenspaß. Die Fotografie mit ihrer Entstehungsgeschichte in einem Bilderrahmen zu zeigen ist eine grandiose Idee, die allein den Besuch der Ausstellung lohnt.

Erwitt, 1928 in Paris geboren, wächst dort und in Mailand auf. 1939 emigriert die Familie in die USA. Während des 2. Weltkrieges arbeitet er in einem Fotolabor. 1948 geht er nach New York, um an der New York School for Social Research Film zu studieren. Erste Kontakte zu den berühmten Fotografen Edward Steichen und Robert Capa entstehen. 1953 beginnt er für die Agentur Magnum zu arbeiten, deren Präsident und Vizepräsident er mehrmals ist.

California Kiss, 1955, Foto und Copyright Elliott Erwitt/Magnum Photos, courtesy Galerie Stephen Hoffman

Sonnenuntergang über Santa Monica. "California Kiss", das 1955 entstandene Foto des im Außenspiegel eines Autos abgebildeten Kusses, ist eine fotografischer Klassiker. Im gleichen Jahr entstand die Aufnahme einer jungen Frau, die auf das Rockefeller Center im New Yorker Nebel blickt. Highway und Schienenstrang verlaufen parallel, Automobil und Zug fahren nebeneinander her. Das Foto zeigt eine Momentaufnahme, als die beiden Fortbewegungsmittel für die Dauer eines Wimpernschlags auf gleicher Höhe sind. Auf einer 1959 entstandenen Aufnahme bohrt Richard Nixon dem russischen KP-Chef Nikita Chruschtschow den Finger in die Brust. Weltgeschichte als Scherz oder als Duell zweier verbohrter Männer? "The 'essence of what happens' - that's what matters". Unter diesem Motto ist Erwitts Schaffen zu sehen. Berühmt auch die von ihm fotografierten Werbekampagnen, so für Luis Vuitton. Auf dem Nominierungsparteitag der Demokraten fotografierte er den gerade zum Präsidentschaftskandidaten gekürten Barack Obama, ein Bild, das dieser später im Präsidentschaftswahlkampf verwendete - angeblich ohne zu fragen.

Felix, gladys and rover, NJC, 1974, Foto und Copyright: Elliot Erwitt/Magnum Photos, courtesy Galerie Stephen Hoffman

Elliot Erwitt ist mit besonderem  Humor gesegnet. Auf Ausstellungseröffnungen trägt er gern ein Plastik-Spiegelei am Revers, "damit ich erkannt werde". Er ist bekennender Hundefreund, was sich in zahlreichen, teilweise skurilen Bildern zeigt. Wer ist hier Herrchen oder Frauchen? In der Münchner Ausstellung ist die witzige Aufnahme einer Frau mit zwei Hunden, einem großen und einer mit Strickmütze und -mantel angetanen Handvoll Hund, zu sehen. Von der Frau und dem großen Tier sieht man nur die Beine. Nur der Kleine ist in voller Lebensgröße zu erkennen. Die Kleinen werden die Großen sein.

Ergänzt wird die Ausstellung unter anderem durch Aufnahmen von Douglas Kirkland aus seiner spektakulären, 1961 entstandenen Reihe "A Night with Marilyn",  sowie mit  Fotos von Georg Silk , Denis Stock und Neil Leifer.

Die Ausstellung zeigt ganz klassische Schwarz-weiß-Fotografie in Abzügen von höchster Qualität und ist sehenswert. Und wenn der Besucher Glück hat,  öffnet der Galerist auch mal seine Schatztruhe. Dann allerdings wird der Besuch zu einem besonderen Erlebnis.

Noch bis zum 4. Juni in der Galerie Stephen Hoffman, Prannerstr. 5 in München. Täglich außer Montag von 11-13 und 14-18.30, Sa 11-16 Uhr.

Veröffentlicht am: 12.05.2011

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