Mit Unschärfe Klarheit schaffen

von Achim Manthey

Tulips, 1985 (c) 2011 Cy Twombly/courtesy Schirmer/Mosel

Erstmals in Deutschland zeigt das Museum Brandhorst Fotografien des US-amerikanischen Malers, Bildhauers und Fotografen Cy Twombly.

Unscharf, unter- oder überbelichtet, verblitzt, verwackelt. Was jeden Fotografen in den Wahnsinn treibt, erhebt Cy Twombly zur Kunstform. Der Künstler wurde vor allem durch Gemälde und Zeichnungen berühmt, später auch durch sein plastisches Werk. Erst zu Beginn der 1990er Jahre trat er mit seinen Fotografien an die Öffentlichkeit. Mehr als 100 Bilder des Künstlers sind nun erstmals in Deutschland im Museum Brandhorst in München, in dessen Obergeschoss auch viele Gemälde, Skulpturen und Arbeiten auf Papier Twomblys gezeigt werden, zu sehen.

Die frühesten Aufnahmen datieren aus dem Jahr 1951, ein Tisch mit Stuhl und Decke in Variationen, der Tempel von Agrigant, gegenständliche, dokumentarische Bilder. Zunehmend jedoch zerfliessen die Motive. Blumenstillleben, Landschaften, Atelieraufnahmen erinnern an die Werke der Piktorialisten des späten 19. Jahrhunderts. Die Konturen der gezeigten Objekte weichen auf, Licht und Schatten verschwimmen ineinander, die Gegenstände scheinen ihre Identität zu ändern. In der Reihe Tulips, 1985 in Rom entstanden, wirken die abgebildeten Blüten wie zusammengerückte Nackte.

Interior, Rome 2003 (c) 2011 Cy Twombly/courtesy Schirmer/Mosel

Cy Twombly, 1928 in Lexington, Virginia geboren, studiert zwischen 1942 und 1951 an unterschiedlichen Hochschulen. An der Arts Students League in New York lernt er Robert Rauschenberg kennen, mit dem er 1952 den Süden der USA und 1953 auch Nordafrika und Südeuropa bereist. Auch München beherbergte ihn im Herbst 1964 kurzzeitig. Cy Twombly lebt und arbeitet in Rom. Er gilt als einer der wichtigsten Vertreter des in Amerika enstandenen abstrakten Expressionismus, den er hinter sich gelassen hat.

Auch das fotografische Werk Twomblys bricht mit den Schranken herkömmlicher Stilmittel der Fotografie. Der Zusammenhang mit den anderen von ihm geübten Kunstgattungen wird durch 5 in der Ausstellung gezeigte Skulpturen hergestellt. Zwei großformatige Arbeiten auf Papier, "Bacchandia, Winter (5 Days in January), 1977" stehen Landschaftsfotografien aus dem Jahr 2007 gegenüber. Der Betrachter erliegt der Versuchung, zwischen den im Obergeschoss des Hauses gezeigten Werken und der aus konservatorischen Gründen im fensterlosen Untergeschoss gezeigten Fotoausstellung zu wechseln, um die motivischen Zusammenhänge und die Unterschiede zwischen den angewandten Medien zu erfassen. Auch die Fotografien sind Aufforderungen an den Betrachter, sich anhand des Gezeigten die eigene Sinnhaftigkeit und Sinnlichkeit der Bilder zu erkennen.

Die Ausstellung Cy Twombly, Fotografien 1951 - 2010 ist noch bis zum 10. Juli im Museum Brandhorst in München, Di. - So. 10 - 18 Uhr, Do. 10 - 20 Uhr zu sehen. Nähere Informationen auch zu öffentlichen Führungen unter www.pinakothek.de. Zur Ausstellung ist ein Katalog erschienen.

Veröffentlicht am: 15.04.2011

Andere Artikel aus der Kategorie