Steffen Kopetzkys neuer Roman "Monschau"

Von mutigen Medizinern und alten Nazis

von Katrin Kaiser

In "Monschau" erzählt Steffen Kopetzky neben Machtkämpfen und Intrigen auch eine Liebesgeschichte. / Cover: Rowohlt

In „Monschau“ verbindet Steffen Kopetzky die Geschichte einer historischen Pocken-Epidemie mit Reflexionen zum Nachkriegseuropa. Das klare Gut-Böse-Schema und das Happy End nimmt man bei dieser gehaltvollen Lektüre gerne an.

In seinen historisch inspirierten Romanen widmet sich Kopetzky immer wieder den Kuriositäten der Geschichte. In seinem letzten Buch „Propaganda“ verbindet er in einer virtuosen Forrest-Gump-Geschichte Ereignisse aus dem Zweiten Weltkrieg und dem Vietnamkrieg. Der Vorgängerroman „Risiko“ erzählt von einer politisch motivierten deutschen Orient-Expedition im Ersten Weltkrieg. Das neueste Buch nun trägt den Titel „Monschau“ und spielt im gleichnamigen Städtchen in der Eifel. Dort brachen 1962 die in Deutschland bereits ausgerottet geglaubten Pocken aus.

Kopetzky spielt verschiedene Szenarien durch, die auch während der Corona-Pandemie für Kontroversen sorgten: Betriebsschließungen, Quarantäne-Verordnungen, Versammlungs- und Feierverbote. Er schickt zwei Ärzte aus Düsseldorf nach Monschau: den real existierenden Dermatologen Dr. Günter Süttgen, der auch in „Propaganda“ eine entscheidende Rolle spielte, und den jungen griechischen Assistenzarzt Nikolaos Spyridakis, dessen reales Vorbild lediglich einen anderen Namen trägt. Obwohl die beiden Mediziner den Landkreis Monschau mit Sachverstand und Disziplin vor dem Schlimmsten bewahren und es ihnen gelingt, die Epidemie innerhalb von drei Monaten zu beenden, sind Süttgen und Spyridakis Kritik und Anfeindungen ausgesetzt.

Neben dem Kampf gegen die Pocken erzählt „Monschau“ vom Ringen um die Zukunft des größten Unternehmens in der Region. Dieser Erzählstrang ist fiktiv. Aus den bis heute existierenden Otto-Junker-Werken macht Kopetzky im Roman die Rither-Stahlofenwerke. Die Firmenerbin Vera Rither ist eine moderne Frau, liebt Jazz und studiert in Paris Journalismus. Statt selbst pro forma die Unternehmensleitung zu übernehmen, möchte sie die Firma einer Stiftung übergeben. Und das will der langjährige Fabrikdirektor Richard Seuss, der um seine Stellung fürchtet, um jeden Preis verhindern. Dieser fiktive Richard Seuss, den Kopetzky deutlicherweise nach einem historischen Oberleutnant der NS-Kriegsmarine benennt, ist ein Opportunist mit Nazi-Vergangenheit. Kopetzky stilisiert ihn zum zwielichtigen Gegenspieler des Modernen und Freigeistigen.

Gegen den zutiefst humanistischen Arzt Dr. Süttgen hegen Seuss und sein kriegsversehrter Chauffeur einen alten Groll, der am Ende sogar in einem Attentatsversuch kulminiert. Süttgen hat nämlich als junger Sanitätsoffizier kurz vor Ende des Zweiten Weltkriegs auf einem deutschen Verbandsplatz in der Eifel einen Waffenstillstand zwischen Deutschen und Amerikanern erwirkt, um die Verwundeten beider Seiten versorgen zu können.

Faszinierend an Kopetzkys Roman ist, dass er seine thrillerhafte Handlung und seine philosophischen Reflexionen zum Nachkriegseuropa mit einem fast märchenhaften Erzählduktus verbindet. In einem klaren Gut-Böse-Schema kristallisieren sich bald die willensstarke Vera Rither und der aufrechte junge Arzt Nikos Spyridakis, die sich bei Jazzmusik und guten Gesprächen ineinander verlieben, als Sympathieträger heraus. Kopetzky erzählt in eindrucksvollen, atmosphärischen, dabei jedoch nie kitschigen Bildern. Den griechischen Arzt schickt er als eine Art mutigen Mondritter im virendichten Stahlarbeiteranzug zu seinen Hausbesuchen. Den intriganten Fabrikdirektor lässt er an massivem körperlichen Unwohlsein leiden und dieses mit Hilfe eines omnipotenten medizinischen Notfallkoffers bekämpfen. Und Vera und Nikos betrachten in einer wunderbar romantischen Szene durch ein Teleskop die Welt unter sich und den Himmel über sich.

Zum Schluss gibt es nicht nur für die jungen Liebenden ein Happy End. Der Epilog verbreitet insgesamt eine märchenhaft versöhnliche Stimmung. Das Gute, das Humanistische siegt. Das einfache Ende nimmt man bei diesem komplexen und gehaltvollen Roman gerne an. Gerade in Zeiten des globalen Gesundheitsnotstands ist die Botschaft, dass sich alles in die richtige Richtung fügen kann, genau das, was man sich wünscht.

Steffen Kopetzky: "Monschau", Rowohlt, 351 Seiten, 22 Euro, E-Book 19,99 Euro.

Veröffentlicht am: 04.06.2021

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