"100 Jahre Münchner Krippenfreunde" in der Rathausgalerie

Sammeln mit Rückgrat

von Christa Sigg

Dali Krippenkasten: Eine Krippe nach dem Gemälde "Die Beständigkeit der Erinnerung" von Salvador Dali von 1931. Kastenkrippe 2002 von Monika Linder (Urenkelin von Karl Blersch, der die Jubiläums-Ausstellung 1932 künstlerisch gestaltet hat), Figuren von Julio Galves (Peru). Arbeit einer Schülerin aus dem Kunst-Leistungskurs. Leihgeber: Ursula Linder MKF

Im Ersten Weltkrieg haben sie sich zusammengetan, jetzt feiern die Münchner Krippenfreunde ihr 100-jähriges Bestehen und blicken auf bewegte Zeiten zurück.

Das Wichtigste passt in eine Walnussschale. Und eigentlich bräuchte es eine Lupe für die Miniatur-Krippen, die jetzt in der Rathausgalerie unter fingerhutgroßen Glastürzen oder in winzigen Döschen Platz finden. Schließlich ging’s auch im Stall von Bethlehem nicht gerade opulent her. Doch was wäre Weihnachten ohne die oft genug ausladende Fantasie der Bildschnitzer und Zimmerer und vor allem der vielen privaten Bastler? Nicht halb so schön, das demonstriert jetzt die ungemein abwechslungsreiche Ausstellung der Münchner Krippenfreunde.

Dass sich der vergleichsweise kleine Verein mit seinen 250 Mitgliedern gleich hinterm Christkindlmarkt am Marienplatz so ins Zeug warf, hat natürlich einen Grund. Vor genau hundert Jahren taten sich zwei Dutzend Bürger zusammen, um sich der Münchner Krippenpflege zu widmen. Mitten im Ersten Weltkrieg war das, und man darf dieses Kümmern um die volkstümliche Übersetzung der Frohbotschaft in so desaströsen Zeiten durchaus als Suche nach Trost und zugleich auch als Bekenntnis verstehen – nicht nur im christlichen Sinne.

Denn im Verein hatten Säbelrasseln und antisemitische Tendenzen nichts zu suchen. So zeigt das „Haus von Nazareth“ aus der Krippe von Gründungsmitglied Sebastian Osterrieder den Jesusknaben mit einer Art Kippah und damit als Juden. Überhaupt wollte der im niederbayerischen Abensberg geborene Bildhauer dem orientalischen Ursprung der Weihnachtsgeschichte möglichst nahe kommen. Osterrieder, den alle nur den „Krippenwastl“ nannten, war bereits 1910 nach Palästina gereist, um sich ein umfassendes Bild zu machen. Deshalb gibt es in seinen Krippen so wunderbare Details wie einen Beduinen, der auf einem üppig bepackten Kamel thront und nach den Sternen Ausschau hält.

Das war keineswegs selbstverständlich, zumal das politische Klima in den 1920er Jahren immer reaktionärer wurde. Umso mehr beeindruckt eine Mammut-Ausstellung des Vereins, die vom 19. November bis zum 11. Dezember 1932 sagenhafte 40.000 Besucher in den „Weißen Saal“ der ehemaligen Augustinerkirche gezogen hat. „Christus ist unser Führer“ stand auf den Wurfzetteln – Führer sogar fettgedruckt. Wenige Wochen später, am 30. Januar 1933, wurde Hitler zum Reichskanzler ernannt.

Auch solche historischen Verweise sind in der von der Kunstjournalistin Annette Krauß kuratierten Schau zu studieren, sofern man sich zwischendurch von den immerhin 100 Krippen lösen kann. Von den prächtigen, zum Teil bis zu 400 Jahre alten Szenen aus dem Leben Jesu – herrlich, wenn ihn der Teufel auf der Hintertreppe zu verführen versucht –, bis zu den Exponaten aus privaten Haushalten. Und die sind fast interessanter als die „offiziellen“, denn man tut damit auch einen Blick in die Wohnzimmer der Leute. Das reicht von einer Krippe aus Isarkieseln bis zur Tiroler „Krippe to go“ im ausklappbaren Schachterl. Dazwischen überrascht ein Exemplar der Gebrüder Ratzinger – gemeint sind tatsächlich Ex-Papst und Domspatzen-Dompteur – mit Figuren aus Neapel, Schafen des Münchner Schnitzers Georg Anderl und einer Kopie des etwas zuckrigen Passauer Gnadenbilds.

Apropos Süßigkeiten: Dass man mit Schokoladenpapierchen und Flitterzeugs selbst ein Traumschloss fürs Jesuskind bauen kann, beweist eine Leihgabe aus Krakau. Sowieso sind Krippen längst ein globales Phänomen, das sieht man an Beispielen aus Peru, wo statt Hirten und Königen die Tiere des Dschungels beim künftigen Erlöser vorbeischauen, oder aus Burkina Faso, da ist die Heilige Familie mit gewagt schrillem Ergebnis in Messing gefasst. Übertroffen wird das nur noch von Salvador Dalís Uhren, die Monika Linder zum Hintergrund fürs weihnachtliche Geschehen umfunktioniert hat.

Dass Martin Luther im Reformationsjahr eine eigene Vitrine gewidmet ist, versteht sich von selbst. Er hat das blondgelockte Christkind und die Bescherung an Heiligabend erfunden. Die Geburt Christi sollte im Zentrum stehen, und das feiert man am besten im Kreise der Familie – fröhlich singend natürlich. Deshalb hat der Vater von sechs Kindern mit „Vom Himmel hoch da komm ich her“ gleich noch eins der schönsten Weihnachtslieder geschrieben. Der Christbaum, den man ihm gerne unterjubelt, geht allerdings nicht auf sein Konto. Carl August Schwerdgeburths berühmtes Bild, das den Laute zupfenden Luther im Kreise seiner Lieben vor einem geschmückten Baum zeigt, entstand erst 1856. Trotzdem gehört es in die Ausstellung, denn keiner hat das Weihnachtsfest so sehr geprägt wie der Reformator.

„100 Jahre Münchner Krippenfreunde“, bis 26. Dezember 2017, täglich von 10 bis 19 Uhr (Hl. Abend geschlossen), in der Rathausgalerie im Neuen Rathaus am Marienplatz, Eintritt frei.

Veröffentlicht am: 24.12.2017

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