"Favoriten III - neue Kunst aus München" im Kunstbau des Lenbachhauses

Hallo Welt, wir sind dann mal weg!

von Roberta De Righi

Babylonia Constantinides, "Radiation Room" (2016) Installationsansicht. Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau

Wenn sich die Ereignisse in Echtzeit überschlagen, scheint erst einmal nichts so unnötig wie der Diskurs um eine Gegenwartskunst, deren Wahnwitz und Provokation von der Realität überholt werden. Doch wie wichtig das Museum als Schutzraum für Reflexion gerade jetzt ist, stellt schnell fest, wer trotzdem hingeht. Das zeigt auch die aktuelle Ausstellung „Favoriten III“ im Kunstbau des Lenbachhauses. Für die (nach 2005 und 2008) dritte Staffel haben die Kuratorinnen Eva Huttenlauch und Stephanie Weber zwölf junge Künstler ausgesucht, die in München ihren Arbeitsschwerpunkt haben.

Es sind starke Einzelpositionen, die in der Gesamtschau aber auch Ängste und Träume einer Generation erkennen lassen. Wenn auch nicht immer vordergründig, so geht es hier um alles: Um Geschlechts- und Herkunfts-Fragen, die die Identität prägen; um Agitation und Pressefreiheit, um Waffen, Terror – und die nukleare Apokalypse. Daneben kann man aber auch, egal in welchem Genre, die Suche nach dem Gleichgewicht zwischen Form und Inhalt beobachten.

Wenn man die lange Rampe in den Kunstbau herunterkommt, stößt man als erstes auf Anna McCarthys beklemmende Installation „How to start a Revolution TV“: Unter einem blauen Hotel-Baldachin steht ein weißer Sarg, flankiert von zwei leeren Plastikstühlen; dazu läuft auf zwei Bildschirmen eine Nachrichten-Persiflage. Blau, und zwar das UN-Blau, spielt auch bei der aus dem Kosovo gebürtigen Flaka Haliti eine wichtige Rolle, die 2015 den kosovarischen Biennale-Pavillon bespielte. Sie scheut sich nicht, das Traumbild schlechthin der Wolken zu benutzen und hat ihnen Kritzel-Gesichter verpasst, die aber so gar nicht losgelöst und heiter aussehen.

Philipp Gufler überdenkt in seinem Film „Eingebildete Männlichkeit“ künstlerische Rollenklischees und setzt mit seinen „Quilts“ schwulen Persönlichkeiten ein Denkmal, die an Aids gestorben sind. Hedwig Eberle malt Körperfragmente; zögerlich, zart und mit Aquarellfarbe auf zum Großformat zusammengesetzte DinA3-Papiere – so als würde sie dem regelmäßig totgesagten Medium nicht trauen. Und Andreas Chwatal malt Massenszenen in Grisaille, die ein überfülltes Flüchtlingslager oder Szenen des Anschlags auf das Pariser „Bataclan“ zeigen. Seine Ästhetik nimmt dabei deutlich Bezug auf den Klassizismus und erzeugt so eine zeitlose Brisanz.

Florian Huth, "Void" 2016 (Still). Foto: Städtische Galerie im Lenbachhaus und Kunstbau

Beate Engl hat einen „Agitator“ gebaut, einen Apparat, der Zeit und Wahrnehmung verdreht. Und eine Endzeit-Vision schuf Babylonia Constantinides: In der Dreikanal-Videoinstallation „Radiation Room“, deren Projektionen im Raum angeordnet sind wie die drei Strahlen des Radioaktiv-Zeichens, wird die Erde zum „Forbidden Planet“, wo es weder „gut“ noch „böse“, sondern nur die Kategorie „tödlich“ gibt. Ebenso verhält es sich mit dem Thema in „Dual Use”, der  Fünf-Kanal-Videoprojektion von Franz Wanner. Darin geht es um Forschung und Entwicklung, deren Sinn für die zivile Nutzung vorgeschoben wird – während eigentlich der militärische Zweck von Interesse ist. Wanner setzt klassisch dokumentarisch auf Interviews, etwa mit einer US-Drohnenpilotin oder einem Aerospace-Manager, hinterlegt ihre Aussagen aber mit Störgeräuschen, die auch als Zahlencodes über die fünfte Leinwand laufen.

Menschliches Leben gibt es – wie im Radiation Room – schließlich auch in der virtuellen Welt von Florian Huth und Barbara Herold keines mehr. Sie haben aus für Computer-Spiele entwickelten Hintergrundszenarios eine unheimliche Ideallandschaft zusammengeschnitten. Ihre Installation ist, gerade weil man auf den ersten Blick in eine Idylle zu schauen glaubt, die düsterste von allen: Alles Pixel, und wir sind nicht mehr da.

Lenbachhaus Kunstbau, bis 30. Oktober 2016, Mi – So 10 bis 18, Di bis 20 Uhr; zur Ausstellung gibt es den Blog www.lenbachhaus-favoriten.de, der von den beteiligten Künstlern bespielt wird.

Veröffentlicht am: 10.08.2016

Über den Autor

Roberta De Righi

Roberta De Righi ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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