"The Man Behind", ein Tribute an Billy Strayhorn in der Unterfahrt

Mit dem A-Train der Dekonstruktion zur Kunst

von Michael Wüst

Billy Strayhorn würdig. Foto: Michael Wüst

Der Sänger Thomas de Lates mit einem Traumtrio, wunderbar neu entdeckten alten Hits wie auch selten gespielten, erlesenen Stücken von Billy Strayhorn, versetzte die Unterfahrt in einen Zustand der Glückseligkeit. Und doch geboren aus Melancholie. Pianist und Arrangeur der kürzlich erschienenen CD „The Man Behind“ Andy Lutter gelang das Wunder einer Klangabbildung von der Big Band in die größte der kleinen Formen, das Trio.

Glücklich machte es einen in der Tat, wie es Andy Lutter gelang, die Musik Strayhorn´s auf dem kürzesten Weg zu Duke Ellington intelligent und geschmackvoll mit einem A-Train der Dekonstruktion und Rekomposition zum Leuchten zu bringen. Und glücklich war es auch, wenn etwas so ganz und gar Traditionelles, ein Tribute, und das an einen Komponisten gerichtet, über den man alle paar Seiten im Real-Book stolpert, so vortrefflich funktioniert.

Sunk Pöschl, ein wahrer Hellhörer unter den Schlagzeugern, erst vor kurzem genial voraushörend in Erscheinung getreten beim Free-Jazz-Konzert Peter Brötzmann mit ICI Ensemle im Ampere, spielte wie immer stark melodieinspiriert, fein, flexibel und dynamisch. Thomas Hauser am Bass mit starkem, tragendem Ton. Das Trio in Bestform behielt die Transparenz der Stücke trotz verschiedenster Gegenläufigkeiten untereinander.

Dem etwas gönnerhaft in der Presse als spätberufen apostrophierten Thomas de Lates wurde es keineswegs leicht gemacht, er muss den Grundton schon selbst dabei haben. Sein satter, in der Klassik würde man sagen, geradezu balsamischer Bariton, kam erst gegen Ende des ersten Sets, vor allem bei dem berühmt berüchtigten Jugendstück Strayhorn´s „Lush Life“ zur Geltung. Bei den ersten Stücken bis zum schwermütigen „Chelsea Bridge“ fehlte ihm in der Höhe noch ein bisschen der Sitz, das Selbstbewusstsein. Gerade der schöne Bariton sollte aber in der Höhe noch gut ausbaubar sein. Ebenfalls ein Highlight war „Something to live for“. Unprätentiös und doch tief melancholisch. Das hatte manchmal so eine abgehobene Chet-Baker-Atmosphäre. Eine Trauer, die sich selbst nicht mehr kannte, als hätte sie den Menschen verlassen. Als trauerten die Wände jetzt, der Raum. So gesehen und gehört, war es also ein voll gelungenes Tribute to Billy Strayhorn, auf dessen unglückliches und schwieriges Leben Thomas de Lates vielleicht in den Moderationen ein ums andere Mal und vielleicht ein paar Mal zu oft hinwies.

Es war ja im besten Sinn den Musikern geglückt, dies in Tönen und Klängen zu formulieren: eine große Trauer, die sich zur Innigkeit verwandelt, erhöhte. Solche Transformation nennt man Kunst.

Veröffentlicht am: 18.04.2014

Über den Autor

Michael Wüst

Redakteur

Michael Wüst ist seit 2010 beim Kulturvollzug.

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