Almudena Grandes' Roman "Der Feind meines Vaters"

Zwischen Guerilla und Guardia Civil

von Katrin Kaiser

Almudena Grandes (Foto: Ivan Giménez/ Tusquets Editores)

Die Schriftstellerin Almudena Grandes ist nach eigenen Worten besessen vom Spanischen Bürgerkrieg und der Nachkriegszeit. Ihr neuer Roman spielt Ende der 1940er Jahre in Andalusien und erzählt die bewegende Geschichte eines Polizistensohnes auf der Suche nach Menschlichkeit in Zeiten von Repression und Terror.

Wenn Krieg herrscht, müssen Kinder schnell erwachsen werden. Geschützte Kinderstuben gibt es nicht, wenn der Krieg alles durchsetzt.

Im Spanien der späten 1940er Jahre ist der Bürgerkrieg offiziell längst zu Ende, in den Bergen der andalusischen Sierra Sur herrscht aber weiterhin Ausnahmezustand. Um der Guerilla Herr zu werden, verbreitet die Polizei des Franco-Regimes in den Dörfern Angst und Schrecken. Jeder, der mit "den Roten" in Verbindung gebracht wird, muss mit brutalen Übergriffen der Guardia Civil rechnen.

Das erlebt Nino, der Sohn eines Polizeibeamten, in Almudena Grandes' neuem Roman "Der Feind meines Vaters" aus nächster Nähe. In seinem Kinderzimmer in der örtlichen Guardia-Civil-Kaserne hört er nachts die Schreie misshandelter Gefangener. Immer wieder sieht er, wie sein Vater im Morgengrauen weinend von seiner grausamen Mission zurückkehrt.

Tagsüber führt Nino das Leben eines normalen Zehnjährigen: Er geht zur Schule, spielt mit seinen Freunden Fußball und badet im Fluss. Früh ist er sich jedoch sicher, dass er als Erwachsener auf keinen Fall zur Guardia Civil gehen möchte. Instinktiv sträubt er sich, Teil dieses repressiven paramilitärischen Apparates zu werden. Viel lieber möchte er später einmal so leben wie Pepe, der von allen "der Portugiese" genannt wird, obwohl er eigentlich gar nicht aus Portugal sondern nur aus einem anderen andalusischen Dorf stammt. Dieser junge Mann wohnt alleine in einer alten Mühle außerhalb des Dorfes. Nino lernt ihn an einem Sommernachmittag am Fluss kennen und besucht ihn immer wieder.

Pepe wird für den Jungen ein Freund und Vertrauter. Mit der Zeit ahnt Nino, dass Pepe mit der Guerilla in Verbindung steht. Diesen Verdacht verdrängt er. Der Polizistensohn möchte die Freundschaft zu dem vermutlichen Widerständler als geschützten, unpolitischen Raum erhalten. Während der Kampf zwischen Partisanen und Franco-Polizei immer wieder grausam eskaliert, wird jedoch immer deutlicher, dass es so einen Raum nicht geben kann. Zu tief sind die politischen Brüche, die die ganze Gesellschaft durchziehen. Pepes Geliebte trauert um ihren von der Guardia Civil ermordeten Bruder, Ninos Vater dagegen erschießt selbst einen Widerständler. Teilweise kämpfen im Spanien der Kriegs- und Nachkriegszeit sogar Kinder gegen Eltern, Geschwister gegen Geschwister. In eindrucksvollen Bildern und mit viel Liebe zum Detail lässt Almudena Grandes dieses große nationale Trauma lebendig werden.

Der Feind meines Vaters (Foto: Hanser)

In ihren Romanen thematisiert Grandes, von der in Deutschland zuletzt "Das gefrorene Herz" erschienen ist, immer wieder den Bürgerkrieg, die Diktatur und ihre Auswirkungen auf die spanische Gesellschaft der Gegenwart. Sie beschreibt Familien und Liebende, entzweit im politischen Konflikt. Sie ergreift Partei für die Franco-Gegner, nie jedoch ohne Verständnis zu zeigen für Regimetreue und Mitläufer. Solche erzählerischen Positionierungen zu lesen, ist erfrischend. Genau so sollte die Aufarbeitung politischer Traumata passieren: parteiisch, aber nicht undifferenziert.

"Der Feind meines Vaters" ist jedoch weit mehr als eine historische Stellungnahme. In erster Linie ist dieser Roman eine wunderbare und berührende Geschichte über die Freundschaft und die Schwierigkeit, ein richtiges Leben im falschen zu führen.

Hanser, 399 Seiten, 19,90 Euro

Veröffentlicht am: 08.02.2013

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