"Die Anarchistin" am Residenztheater

Duell der Königinnen nach 35 Jahren Knast - Premiere abgebrochen!

von Gabriella Lorenz

Sibylle Canonica (Ann) und Cornelia Froboess (Cathy) Foto: Thomas Dashuber

Die Premiere des Stücks "Die Anarchistin" von David Mamet am vergangenen Samstag (15.12.12) musste wegen eines Schwächeanfalls von Cornelia Froboess nach einer halben Stunde abgebrochen werden. Der Schauspielerin soll es inzwischen wieder besser gehen. Wenn es die Gesundheit der Hauptdarstellerin zulässt, wird das Residenztheater die nächste reguläre Vorstellung zur Premiere machen. Wir haben vor dem ursprünglich vorgesehenen Start mit Regisseur Martin Kusej gesprochen.

Sie heißen nicht Maria und Elisabeth, sondern Cathy und Ann. Sie sind auch keine gekrönten Häupter, sondern eine inhaftierte Terroristin und eine hohe Justizbeamtin. Dennoch preist der deutsche Verlag das neue Stück „Die Anarchistin“ von David Mamet zu Recht als „Königinnen-Duell“. Im Residenztheater spielen es auch zwei Königinnen der Bühne: Cornelia Froboess und Sibylle Canonica. Das Duell ist ein letztes, inquisitorisches Gespräch zwischen Cathy (Froboess), die wegen zweifachen Mordes verurteilt wurde, und Ann (Canonica), von der allein es abhängt, ob die einstige Revolutionärin nach 35 Jahren Knast begnadigt wird. In New York hat der als Drehbuchautor („Wenn der Postmann zweimal klingelt“) und Bühnenschriftsteller („Oleanna“) gleichermaßen erfolgreiche 65-jährige David Mamet die Uraufführung vor gut zwei Wochen selbst inszeniert: Hollwoodstar Debra Winger gab als Ann ihr Broadway-Debüt neben Bühnen-Urgestein Patti LuPone. Die deutschsprachige Erstaufführung am Resi in der Regie von Martin Kusej sollte zeitgleich stattfinden, musste aber zunächst wegen organisatorischer Probleme, dann noch einmal krankheitsbedingt verschoben werden. Nun musste auch die Premiere abgebrochen werden - es scheint bislang in München wahrlich unter keinem guten Stern zu stehen.

Herr Kusej, haben Sie dieses Stück für Cornelia Froboess und Sibylle Canonica gesucht, oder ergab sich die Besetzung aus dem Stück?

Das hat sich ineinander verwoben. Ich wollte mit beiden unbedingt arbeiten, und dann bekam ich diesen Text auf den Tisch. So ließ sich Praktisches, Angenehmes und Aufregendes verbinden.

Mamet spricht enorm viele Themen an: Schuld und Strafe, Reue und Rache, Glaube und Erlösung, Sexualität und Unterdrückung, Vernunft und Moral, und immer wieder Macht. Was steht für Sie im Zentrum?

Eindeutig Macht und Willkür. Es gibt ideologische und spirituelle Diskussionen, aber zentral geht es um institutionalisierte und revolutionäre Macht. Das sind auch für das Theater interessante Begriffsfelder. Soweit ich weiß, wollte Mamet damit einen Diskurs anstoßen. Aber ich sehe es klar als ein theatralisches, leidenschaftliches Stück.

David Mamet nennt es zwar „Die Anarchistin“, lässt aber offen, ob er für eine der beiden Figuren mehr Sympathien hegt.

Anfangs scheinen die Positionen klar verteilt: Gut und Böse, Schwarz und Weiß. Dann beginnen die Positionen sich zu verschieben und durchzumischen. Am Ende weiß man nicht genau, wer eigentlich die Anarchistin ist.

Die Spannung besteht darin, dass sich jede Zuordnung von Gut und Böse auflöst, und der Zuschauer entscheiden muss, welche Figur er für glaubwürdiger hält. Der Regisseur darf also nicht Stellung beziehen.

Ja, und das macht Spaß. Weil von beiden Figuren am Ende nur das Böse übrig bleibt. Wobei ich persönlich mehr Sympathie für die Anarchistin habe als für die Staatsgewalt.

Mamet hat sich 2008 vom Demokraten zum Republikaner gewandelt und im US-Wahlkampf Mitt Romney unterstützt. Da keimt schon ein Verdacht, wo seine Sympathien liegen.

Da geht's mir mit ihm ähnlich wie mit meinem österreichischen Lieblingsautor Karl Schönherr. Der steht auch ideologisch ganz woanders als ich. Aber seine Stücke sind so stark, dass man sie auch gegen den Autor umdrehen kann.

Obwohl es bei Mamet am Ende eine Siegerin gibt?

Es gibt am Ende nur zwei Verliererinnen.

Residenztheater, nächste vorgesehene Vortellung am 21. Dezember 2012, 20 Uhr, Tel. 2185 1940

Nachtrag am 17. Dezember 2012, 18.28 Uhr:

Wie das Residenztheater am frühen Abend mitgeteilt hat, geht es Cornelia Froboess soweit wieder gut. Sie muss sich aber noch einige Tage erholen. Daher gibt es eine Spielplanänderung. Die für den 21. Dezember 2012 vorgesehene Aufführung von "Die Anarchistin" findet nicht statt. Stattdessen gibt es eine Voraufführung von Nikolai Gogols "Der Revisor" zu sehen, die am 22. Dezember 2012 Premiere hat. Die nächsten Aufführungen von "Die Anarchistin" finden es am 3., 9., 14., 26. und 31. Januar statt.

Veröffentlicht am: 17.12.2012

Über den Autor

Gabriella Lorenz

Gabriella Lorenz ist seit 2010 Mitarbeiterin des Kulturvollzug.

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