Brigitte Fassbaender inszeniert "Don Pasquale"

Dominierende Stimmen in szenischem Schnickschnack

von Volker Boser

Anja-Nina Bahrmann als Norina (Foto: Christian Zach)

Sollte sie noch einmal auf die Welt kommen, würde sie am liebsten Dirigent werden. Brigitte Fassbaender, Münchens gefeierter Octavian im "Rosenkavalier" von Richard Strauss, dreizehn Jahre lang erfolgreiche Intendantin in Innsbruck, als gefragte Regisseurin in ganz Europa unterwegs, bekommt glänzende Augen: "Das wäre ein toller Beruf." Jetzt hat sie für das Gärtnerplatztheater im Cuvilliéstheater Donizettis komische Oper "Don Pasquale" inszeniert.

Am Ende wird den Männern eine Schürze umgebunden und die Welt ist wieder in Ordnung. Mag es der Komponist auch nicht ganz so krass gemeint haben: Sacha Guitrys Erkenntnis, im Programmheft nachzulesen, dürfte selbst ihm bekannt gewesen sein: "Die Liebe ist eine Gemütskrankheit, die durch die Ehe oft schnell geheilt werden kann."

Bei Brigitte Fassbaender wird bereits zur Ouvertüre klar, worum es eigentlich gehen soll: Man blickt in einen düsteren, leeren Raum mit einer Öffnung an der Decke, aus der ein kleiner Amor wie eine Putte aus Porzellan herabgelassen wird. Die Reaktionen des vorbei eilenden Bühnenpersonals auf dieses Symbol der Liebe fallen höchst unterschiedlich aus. Die einen bleiben gleichgültig, manche blicken sehnsüchtig nach oben, andere wiederum werden regelrecht agressiv.

Mathias Hausmann als Malatesta, Franz Hawlata als Pasquale, Ute Walter als Notar (Foto: Thomas Dashuber)

Ein hübscher Einfall, dem leider nichts Gleichwertiges folgt. Das erste Duett zwischen dem heiratslustigen Pasquale und dem Strippenzieher Malatesta findet in einer Zahnarztpraxis statt. Norina absolviert zu ihrer Auftritts-Arie ein ausgeklügeltes Fitness-Programm und wagt ein Tänzchen mit dem Postboten, der in einer mittelalterlichen Ritterüstung steckt. Nach der erschwindelten Hochzeit mit Pasquale tauscht sie das Dirndl gegen einen Hosenanzug, wird zickig, widerspenstig. Ein Kotzbrocken eben, hübsch anzusehen, aber am besten aus der Distanz zu genießen. Ernesto, ihr jugendlicher Liebhaber, hält sich vornehmlich im Bett auf: Pointen, mit Maßen witzig, manchmal albern, zumeist aber sehr bekannt.

Das Faschingstreiben auf der Bühne wird unterstützt vom Dirigenten Marco Comin, der die Musik stramm und schrecklich laut vorantreibt. Charme ist verboten. Die verteufelte Akustik des Cuvilliéstheaters, an der schon ganz andere musikalische Kaliber gescheitert sind, wird ihm zum Verhängnis.

Die gute Nachricht kommt von den Sängern. Anja-Nina Bahrmanns Norina könnte in jedem größeren Haus punkten – das Timbre weich und rund, die Koloraturen brillant, die Höhen sicher. Franz Havlata in der Titelrolle setzt seine ganze Routine ein, er weiß, wie man derlei Spaß effektvoll über die Rampe bringt. Geradezu eine Entdeckung, wenn auch ein wenig nervös, Bogdan Mihai (Ernesto), der seine helle Tenorstimme stilsicher makellos zu führen versteht. Akzeptabel Mathias Hausmann als Malatesta.

Man sollte also nicht ungerecht sein: Eine Opernaufführung, in der die Stimmen über szenischen Schickschnack dominieren, ist weit mehr als die halbe Miete.

Nächste Vorstellungen am 29., 31. Oktober 2012, 2., 4., 6. November 2012, Tel 089/2185 1960

Veröffentlicht am: 29.10.2012

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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