Max II. Emanuel zum 350. Geburtstag

Befreier, Frauenheld und Bankrotteur - Er hinterließ ein ausgeblutetes Bayern

von kulturvollzug

Umbau à la Versailles in Nymphenburg (alle Fotos: Achim Manthey)

Max II. Emanuel ist zwar im Volk längst nicht so berühmt wie Ludwig II. Deshalb verzichtete die Bayerische Verwaltung der Staatlichen Schlösser, Gärten und Seen zum 350. Geburtstag des Schlösserbauers - er kam am 11. Juli 1662 als Sohn des Kirchenbauers Ferdinand Maria in München zur Welt - auch auf eine repräsentative Ausstellung (vergleichbar der "Götterdämmerung" von 2011 im Schloss Herrenchiemsee). Aber eine Festwoche soll es schon sein: Von heute (5. Juli) bis 11. Juli 2012 bieten Schleißheim, Nymphenburg und Dachau, wo der Jubilar überall seine Spuren hinterlassen hat, frisch renovierte Prunkstücke wie den kurfürstlichen Rennschlitten zur Schau. Dazu Gondelfahrten auf dem Kanal, der einmal all diese Schlösser verbinden sollte, sowie ein Historienspiel, das von den eigenartigen Umständen seiner Geburt handelt.

Pracht und Macht eines Herrschers also, der eine führende Rolle in der europäischen Politik spielen wollte. So kennt man ihn aus Geschichtsbüchern und Kunstgalerien: ein strahlender Held, schon zu Lebzeiten berühmt und gefürchtet. "Blauer Kurfürst" (Marvi Kral) haben ihn die Türken ehrfurchtsvoll genannt. Als 21-jähriger Feldherr wird er zum "Retter Europas": Mit zehntausend Landsleuten im Gefolge eines europäischen Heeres verjagt er 1683 mehr als 200.000 Muselmanen aus dem belagerten Wien und fünf Jahre später erobert er mit 33.500 Mann auch noch Belgrad zurück. Als Verehrer des französichen "Sonnenkönigs" Ludwig XIV. lässt er Nymphenburg zu einem zweiten Versailles und Schleißheim noch pompöser ausbauen als seine Vorgänger.

Doch das Bild von der barocken Lichtgestalt hat eine dunkle, sehr dunkle Seite. Skrupellos setzt der Bayernfürst auf Machterweiterung. Schamloser noch als gewisse Wittelsbacher des 19. Jahrhunderts pflegt er drei Prinzipien: Bauen, Frauen und Schulden. Von den viel besungenen Heldentaten abgesehen, ist seine lange Regierungszeit (1679-1726) eine einzige Folge von Skandalen.

Schleißheim noch pompöser, aber wozu?

Unmittelbar vor dem Feldzug nach Wien unterzeichnet Kurfürst Max Emanuel am 26. Januar 1683 ein Defensivbündnis gegen Frankreich und das Osmanische Reich. Zu dieser Kehrtwendung in der von seinem Vater, dem "Friedensfürsten" Ferdinand Maria, betriebenen Staatspolitik hat Kaiser Leopold I. den erst 16 Jahre alten Kurfürsten bei einem privaten Besuch in Altötting durch Schmeicheleien und ein geschenktes Schwert überreden können. Als Gegenleistung sichert der Habsburger dem Bayernfürsten 150.000 Gulden zu, im Kriegsfalle sogar 450.000, und als Pfand dafür zwei kleine österreichische Besitzungen an Donau und Inn.

Bald nach den erfolgreichen Türkenkriegen, die Bayern mehr als 30.000 Menschenleben und 15 Millionen Gulden kosten, wird unser junger Held von König Karl II. in Madrid zum Generalstatthalter der spanischen Niederlande ernannt. Das Amt ist mit einem monatlichen Gehalt von 15.000 Gulden verbunden sowie mit einer gewissen Aussicht auf die Königswürde. Kalt weist daher der Kurfürst die Bitte der bayerischen Landstände zurück, er möge doch in seinem von einer Hungersnot bedrohten Land bleiben; nein, er bezieht eine prächtige Residenz in Brüssel und schwelgt fortan in Luxus.

Auf dem Schloßkanal sollen nicht nur Schwäne, sondern auch Gondeln zu den Feiern ihre Bahnen ziehen

Acht Monate nach dem Umzug stirbt seine Frau, die österreichische Kaisertochter Maria Antonia, bei der Geburt ihren einziges Sohnes Ferdinand. Kurz zuvor hat sie den Gemahl enterben lassen. Allzu schlechte Erfahrungen hatte sie gemacht mit ihm, der dem Wahlspruch folgte: "Das Evangelium der Liebe ist Abwechslung." Max Emanuel will jetzt eine hübsche Prinzessin aus dem Hause Hannover ehelichen. Doch der Kaiser in Wien äußert politische Bedenken, die 19-jährige sei doch allzu französisch erzogen, und so empfehlen die kaiserlichen Werber unter 67 Kandidatinnen die Tochter des polnischen Königs Jan Sobieski, welcher seinerzeit mit Max Emanuel zusammen Wien befreit hat.

Der Witwer überlegt nicht lange. Die Braut verschafft ihm eine Mitgift von 500.000 Talern und obendrein die Aussicht auch noch auf die polnische Krone. Doch als die per Ferntrauung frisch Vermählte den schmächtigen, spitznasigen Münchner erstmals sieht, will sie am liebsten gleich Reißaus nehmen; das Leben am Hof in Brüssel bleibt ihr dennoch nicht erspart. Häufig wechseln dort die Gespielinnen, darunter Spioninnen aller Mächte.

Für die Befreiung Belgrads gabs ein Standbild am Promenadeplatz

Zwar protestiert Therese Kunigunde, aber Max Emanuel schreibt ihr eiskalt: "Wenn ich aller Orten meine Mätressen relegieren wollte, die ich vor der Ehe gehabt, dann müsste ich, um nicht überall eine zu finden, bis nach Indien gehen. Aber seien Sie getrost: auf alte Mätressen kommt man nicht zurück." Schließlich brennt die Gemahlin mit ihrem Beichtvater nach Venedig durch, nachdem ihr abwesender Mann ihr noch die Regentschaft in Bayern überantwortet hat. Ungestört und ungeniert kann er sein "Luderleben" (so Liselotte von der Pfalz) in Brüssel fortführen.

Jahrelang laviert der gescheiterte Held und Frauenheld lässig zwischen den europäischen Großmächten. Er lässt sich einmal von Frankreich, dann wieder von Österreich bezahlen oder sonstwie aushalten, wechselt mehrmals die Bündnisse, fordert dafür - vergeblich - Landzuwachs und Königskrone. Dann aber überfällt er, nun mit Frankreich alliiert, den Brückenkopf Ulm und verliert am 13. August 1704 bei Hochstädt eine entscheidende Schlacht gegen die mit England verbündeten Österreicher; das Gemetzel dauert sechs Stunden und bringt 12.000 Menschen um Leben oder Gesundheit. Der "blaue Kurfürst" ist am Ende.

Bayern ist inzwischen völlig ausgeblutet. Nicht einmal die Besetzung Münchens durch kaiserliche Truppen und der 1705 von schlecht bewaffneten, überwiegend bäuerlichen Patrioten im Ober- und Unterland versuchte Aufstand können den Kurfürsten zur Heimkehr in sein angestammtes Reich veranlassen, er strebt keineswegs nach Wiederherstellung staatlicher Ornung, sondern träumt immer noch von Macht und Herrlichkeit. In Geheimverhandlungen bietet er den Österreichern am Ende gar noch sein ungeliebtes bayerisches Land an, im Tausch gegen Neapel, Sizilien oder Holland. Einmal muss er - ein leidenschaftlicher Spieler - Juwelen für 254.586 Gulden versetzen.

Bei seinem Tod am 26. Februar 1726 hinterlässt der Skandal-Monarch Max Emanuel, den der Wittelsbacher-Chronist Hans E. Nöhbauer als "anmaßend, hemmungslos und tragisch" bewertet, eine Schuldenlast von nicht weniger als 26 Millionen Gulden (nach heutigem Euro-Wert ein Milliardendefizit) sowie ein verwüstetes Land mit rund 700.000 darbenden Einwohnern, das hierfür noch bis weit in das 19. Jahrhundert hinein zu zahlen hatte.

Doch erinnert man immer wieder gern an seine ach so ruhmreichen Taten und die wunderschönen Schlösser in und bei München, die er so selten bewohnt hat.

Karl Stankiewitz

Zum Thema auch im Jahreskalender 2012 von Brigitte Langer: "Kurfürst Max Emanuel zum 350. Geburtstag" und "Weißblaues Schwarzbuch" unseres Autors.

An den historischen Orten gibt es eine Festwoche und einen neuen Dokumentationsraum im Neuen Schloss Schleißheim. Dort sind außerdem ab sofort alle Räume im Rundgang mit Erläuterungstexten in Deutsch und Englisch versehen, auf Beschriftungstafeln gibt es nun sogar QR-Codes für den Info-Abruf via Smartphone. Erstmals nach vielen Jahren zeigt sich auch die Kammerkapelle den Besuchern wieder ohne Baugerüst.

In der von der Bayerischen Schlösserverwaltung organisierten Festwoche vom 7. bis 15. Juli gibt es Themenführungen, Konzerte und Vorführungen in historischen Kostümen. Einmalig besteht die Möglichkeit, in Erinnerung an die venezianischen Prunk- und Lustschiffe am Hofe Max Emanuels in einer originalen venezianischen Gondel auf dem Mittelkanal des Schlossparks Schleißheim spazieren zu fahren. Besonderer Höhepunkt ist am 14. und 15. Juli die Inszenierung eines barocken Freudenfests vor Schloss Lustheim, das mit Reiterspielen, allegorischen Einlagen, Jagd- und Triumphszenen an die Festveranstaltung anlässlich der Geburt Max Emanuels vor 350 Jahren erinnert.

Das komplette Programm der Jubiläumswoche als pdf-Dokument finden Sie hier.

Am Samstag, 14. Juli 2012, um 15.00 Uhr gibt es vom Bayerischen Nationalmuseum aus eine Führung in Schloss Lustheim (Meißener Porzellan-Sammlung, Stiftung Ernst Schneider, Am Hofgarten 14, 85764 Oberschleißheim). Gudrun Szczepanek berichtet über "Im Reich der Jagdgöttin Diana. – Max Emanuel und der Freskenzyklus in Schloss".

 

Veröffentlicht am: 05.07.2012

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