Revoluzzer und Rockstar – „Ich, Georg Büchner“ in der Glockenbachwerkstatt

von kulturvollzug

Ludo Vici. Foto: Franz Kastner

„Ich, Georg Büchner“ heißt das Stück, mit dem der Schauspieler und Regisseur Ludo Vici und seine Band versuchen, dem toten Dichter wieder Leben einzuhauchen. Das gelingt zwar nicht immer, verspricht aber einen kurzweiligen Abend.

Die besten Rockstars sterben jung. Man muss sich nur Kurt Cobain, Jimi Hendrix oder Jim Morrison ansehen. Was dieses Kriterium angeht, kann man Georg Büchner also schon zu den Rockstars zählen. Er starb 1837 im zarten Alter von 24 Jahren. Und auch die Attitüde stimmt. Büchner war ein Rebell, ein Systemkritiker, von der Obrigkeit verfolgt, weil er in seinem Pamphlet „Der Heßische Landbote“ die sozialen Missstände seiner Zeit benannte. Der jugendliche Revoluzzer ist also in Zeiten von Stuttgart21 und Castortransporten immer noch ungemein aktuell. Das dachte sich auch der Münchner Schauspieler Ludo Vici: In einem „Rocktheaterstück“ versucht er, Leben und Werk Büchners musikalisch aufzuarbeiten, indem er Texte aus Büchners Werk und Ausschnitte aus Briefwechseln collagenartig zusammensetzt.

Dabei findet das Stück auf verschiedenen Ebenen statt. Während Ludo Vici – begleitet von Gitarre, Bass und Schlagzeug – Stellen aus „Leonce und Lena“ und dem „Woyzeck“ rezitiert, funkt ihm immer wieder die Gegenwart dazwischen. Die Gegenwart, das ist das Klischee des typischen Deutschlehrers, verkörpert von Andreas Mayer. Mit trockenem Faktenwissen und Jahreszahlen versucht er, „die Literatur auszutreiben“.

Es geht um Themen, die den jungen Büchner umtreiben: Um Liebe, Sex, Zweifel. Und um Idealismus und Revolte. Alles Themen, mit denen auch das überwiegend jugendliche Publikum etwas anfangen kann. Die Stimmung ist locker, man hat sich in einem kleinen, bunkerartigen Nebenraum der Glockenbachwerkstatt auf blauen Plastikstühlen niedergelassen und verfolgt entspannt die literarischen und musikalischen Ergüsse Ludo Vicis und seiner Band. Das Bühnenbild (falls man es überhaupt als ein solches bezeichnen sollte) ist minimalistisch gehalten. Lediglich eine Tafel mit Büchners wichtigsten Lebensdaten hat Platz gefunden. Der restliche Raum ist für die Instrumente der Bandmitglieder reserviert. Und die erscheint – wie sich das für ordentliche Rockmusiker gehört – komplett in schwarz.

Foto: Franz Kastner

Was die Musik angeht, so hat die Band ein gutes Händchen bewiesen: Die eigens komponierten Stücke begleiten und unterstreichen die vorgetragenen Textpassagen. Unpassend wirken sie nie. Irgendwo zwischen Bob Dylan und Metallica, zwischen Blues und klassichem Rock spielt sich die Band in einer ordentlichen Lautstärke durch den Abend. Auch fette Gitarren- und Basssolos kommen nicht zu kurz (besonders hervorzuheben: Der fast schon virtuose Sebastian Ody an der Gitarre).

Der Mittelpunkt des Stücks aber ist Ludo Vici. Er ist ein Mann mit den zwei Gesichtern – und das nicht nur, weil er eine mit Filzstift aufgemalte Fratze auf dem Hinterkopf trägt. Im Laufe des Abends schlüpft er sowohl in die Rolle Büchners als auch in die seiner literarischen Figuren. Das wirkt auf Zuschauer, die sich vorher nicht intensiv mit Büchner auseinander gesetzt haben, stellenweise etwas verwirrend. Die vorgetragenen Textstellen sind zum einen aus ihrem Kontext gerissen und wirken manchmal etwas zusammenhangslos. Zum anderen vermischen sich biographische Fakten und literarische Fiktion, sodass die Grenzen zwischen der historischen Person Büchners und seinen Protagonisten verschwimmt.

Foto: Franz Kastner

Dieses kleine Defizit in der Konzeption macht das Ensemble aber mit unglaublicher Spielfreude wett. Selbst kleinere Pannen wie umfallende Mikros, widerwillige Gitarren und kleine Versprecher mindern die Stimmung nicht im Geringsten. Man merkt der Band und ihrem Frontmann deutlich an, dass sie sichtlich Spaß an der Musik haben. Besonders der charismatische Ludo Vici verkörpert jede seiner Rollen glaubhaft und mit großer Freude.

Jasmin Körber

Hier die Homepage von „Ich, Georg Büchner“: www.georgbüchner.de

Veröffentlicht am: 14.11.2010

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