Carl Spitzweg in Schweinfurt: Nicht nur seine Sterne leuchten da

von Achim Manthey

Carl Spitzweg, Benediktenwand am Abend, um 1838 (Foto: Museum Georg Schäfer)

In der opulenten Schau "Nächtliche Sternstunden" zeigt das Museum Georg Schäfer in Schweinfurt Nachtbilder von Carl Spitzweg und seinen Zeitgenossen.

In Carl Spitzwegs Welt ist die Nacht zum Schlafen da. Auf seinen Gemälden sind in den nächtlichen Kleinstadtgassen nur noch Nachtwächter oder Scharwachen unterwegs, um die Nachtruhe der braven Bürger zu schützen. Für sie leuchten die funzeligen Straßenlaternen und werfen fahle Schatten auf Fassaden und Tore. Aber die Nacht ist auch die Zeit für geheime Stelldicheins im Schutz der Dunkelheit, für Ständchenbringer, die unterm Fenster zum Mandolinenklang schmachten, oder für die Kuriere vertraulicher Botschaften. Und über allem leuchten Mond und Sterne.

Es ist duster auf den Bildern, die weitgehend ohne Symbolik und die aus anderen Werken des Künstlers bekannte Spottlust auskommen. Das vereinzelte Licht im Fenster zeigt Diskretion - was dahinter ist, soll da auch bleiben.

Carl Spitzweg, Nachtwächter in einer alten Stadt, 1865/70 (Foto: Museum Georg Schäfer)

Carl Spitzweg wird am 5. Februar 1808 in Unterpfaffenhofen geboren. Er wächst in München auf. Auch wenn es ihn früh zur Malerei hinzieht, folgt er doch der Bestimmung des Vaters, eines zu Wohlstand gelangten Materialienhändlers, und beginnt 1825 eine Lehrzeit an der Königlich-Bayrischen Hofapotheke in München, arbeitet in der Löwenapotheke in Straubing und studiert danach erfolgreich Pharmazie, Botanik und Chemie. Ein Jahr noch arbeitet er in Erding als Apotheker, bevor er sich 1833 ganz der Malerei zuwendet. Eine Akademie hat er nie besucht, bleibt Autodidakt.

1835 wird er Mitglied des Münchner Kunstvereins. Mit seinem Freund, dem Landschaftsmaler Eduard Schleich, unternimmt er Auslandsreisen, die ihn nach Paris oder zur ersten Weltausstellung in London führen. Ab 1844 arbeitet er als Illustrator für die "Bunten Blätter". Carl Spitzweg stirbt am 23. September 1885 im Alter von 77 Jahren an den Folgen eines Schlaganfalls.

Carl Spitzweg, Der Blasturm in Schwandorf, um 1870 (Foto: Museum Georg Schäfer)

Bekannt wird der Maler durch seine Pointenbilder wie "Der arme Poet", "Der Bücherwurm" oder dem "Kaktusliebhaber", auf denen er Menschen pointiert und mit Ironie in ihren Passionen darstellt. Erst spät, um 1860 herum beginnt Spitzweg, sich intensiver mit den Genre der Nachtbilder zu befassen. 80 Gemälde aus dem umfassenden Bestand des Museums an Spitzweg-Werken werden nun erstmals als Gruppe gezeigt. Neben den nächtlichen Gassenszenen werden die bekannten Klausen-Motive gezeigt: lesende, geigende Eremiten darin im Feuerschein. Ruhestörung ist da nicht erwünscht. Das 1860/64 entstandene Gemälde "Der Astrologe (Sternengucker)" passt thematisch, ist aber mehr den Pointenbildern zuzuordnen.

1838 entstand "Die Benediktenwand am Abend". Schon hier leuchtet es aus dem kleinen Fenster der Hütte in den Abend hinaus, ein Motiv, das sich bei Spitzweg Jahrzehnte später wiederholen wird. Die meist kleinformatigen, häufig auf Zigarrenkistenholz gemalten Bilder führen in nächtliche Rückzugsräume. Das einsam leuchtende Fenster auf dem 1870 entstandenen Bild "Blasturm in Schwandorf" erzählt sowohl von Einsamkeit wie auch von verschwiegenen Schöpfungsprozessen in der kleinstädtischen Idylle, in der die braven Bürger abtauchen von dieser Welt. Das, was Nachtdarstellungen motivistisch gemeinhin bekannt macht, Dramatik, Gewalt, Revolution oder auch die schreckensvolle Verbindung von Tod und Nacht bleibt Spitzweg fremd.

Und da der Gevatter der Nacht der Schlaf ist, handelt die Ausstellung auch von ihm und seinen Störungen. Spitzwegs mit Bleistift gezeichneter Entwurf "Die müde Tischgesellschaft" (1840/45) könnte auch heute auf einem ausklingenden Familienfest oder einer Betriebsfeier entstanden sein. Seine Studie "Erscheinung" (1865/70) nimmt das Motiv der bösen Träume auf.

Johann Peter Hasenclever, Gestörte Nachtruhe, 1849 (Foto: Museum Georg Schäfer)

Die Ausstellung wird ergänzt durch Werke anderer Meister aus der Sammlung Schäfer. Caspar David Friedrich ist vertreten, auch Eduard Schleich d.Ä., Moritz von Schwind oder Wilhelm Lichtenheld - Vorgänger, Wegbegleiter, Nachahmer zeigen eine Entwicklung in der Nachtmalerei, an der Spitzweg eine Zeitlang prägend mitgewirkte und dann irgendwo stecken blieb. Die Deutlichkeit, mit der Johann Peter Hasenclever in seinem Gemälde "Gestörte Nachruhe" (1849) darstellt, wie der deutsche Michel gerade die Revolution verpennt hat, fehlt Spitzwegs spätem Werk.

Zwei Räume in der Ausstellung führen den Besucher in die Gegenwart. Einen Blick in die Sternenwelt bieten zwischen 2004 und 2010 von der Sternwarte in Schweinfurt aus entstandene Astrofotografien, die großformatig an die Wand projiziert werden. Zwei Filmsequenzen befassen sich in einem anderen Raum mit Schlafwandelei. Es ist museumspädagogisch nicht ungeschickt, den Besucher zwischendurch aus den optischen Traumbildern, die beim Gang durch die Ausstellung entstehen können, herauszurütteln.

Es ist eine sehenswerte, umfassende Schau, die von Sigrud Bertuleit sorgsam konzipiert wurde. Schweinfurt ist wieder einmal eine Reise wert. Man muss das alles aber auch mögen und sich auf das, was heute spießig scheint und zu viel heile Welt vermitteln mag, einlassen. 

Bis zum 19. Februar 2012 im Museum Georg Schäfer, Brückenstraße 20 in Schweinfurt, 10-17 Uhr, täglich außer Mo., Do. 10-21 Uhr. www.museumgeorgschaefer.de

Veröffentlicht am: 04.01.2012

Andere Artikel aus der Kategorie