Gewöhnungsbedürftig, aber nicht ohne Reiz – Simone Dinnerstein im Prinzregententhater

von Volker Boser

Schon ihre erste CD, Bachs „Goldberg“–Variationen, vor vier Jahren erschienen, machte Furore. Mittlerweile hat sie einen Exklusiv-Vertrag mit Sony – eine Bilderbuchkarriere, sollte man meinen. Doch Simone Dinnerstein muss sich die Konzertsäle der Welt erst noch erobern. Gerade mal 350 Besucher kamen zu ihrem Klavierabend ins Prinzregententheater.

Es kann nicht am Programm gelegen haben, denn die New Yorker Pianistin spielte Bach, dazu Bekanntes von Schubert und Schumann. Für Tastenfanatiker eigentlich ein gefundenes Fressen. Die schlechte Nachricht: Selten hat man Schumanns „Fantasiestücke“ so missverstanden gehört. Wurde es lebhaft, dann glaubte Simone Dinnerstein, Tschaikowsky-Donner vorführen zu müssen. Die empfindsamen Momente („Des Abends“) buchstabierte sie irritierend spannungslos. Dass die Impromptus Op.90 von Schubert zum Ende des Konzerts viele überaus schlüssig ausformulierte Inhalte aufwiesen, überraschte – und legte den Verdacht nahe, dass die Schumann-Ruppigkeiten absichtlich erfolgten.

Derzeit scheint sich die Pianistin bei Bach am wohlsten zu fühlen. Stilistische Probleme wischte sie „con brio“ beiseite. Die Englische Suite Nr.3 erklang locker, spontan, lebhaft und tänzerisch beschwingt. Die drei Choralsätze in der Bearbeitung von Busoni, Wilhelm Kempff und Myra Hess trieb sie energisch voran, rhythmisch willkürlich, aber konsequent in der romantischen Pose. Das war zwar gewöhnungsbedürftig, aber nicht ohne Reiz.

Veröffentlicht am: 07.03.2011

Über den Autor

Volker Boser

Volker Boser ist seit 2010 Mitarbeiter des Kulturvollzug.

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